7. Juni 2024

Kreisgruppe Setterich: Nachruf auf Ehrenkapellmeister Michael Ohler

Vollendet hat sich der irdische Lebensweg von Ehrenkapellmeister Michael Ohler (1935-2024), dem wohl bekanntesten Siebenbürger Sachsen in Setterich bei Aachen, der über 62 Jahre als Musiker und Kapellmeister im Kultur- und Gemeinschaftsleben prägend und verbindend gewirkt hat. Nicht nur in der Gemeinschaft der Siebenbürger und der evangelischen Kirche, sondern auch weit darüber hinaus.
In Tschippendorf Nr. 8 in Nordsiebenbürgen wurde Michael am 27. Mai 1935 geboren, bekannt mit seinem Dorf- bzw. Hausnamen als „Ruitchi Micki“. Zwei Jahre später kam sein Bruder Johann zur Welt. Beide musikalisch talentiert und vorbelastet durch ihren Vater Johann Ohler „Ruitchi Hanzi“ (1909-1993), der in Tschippendorf in der Musikkapelle als Tenorhornspieler und kirchlich als Organist tätig war und der beim rumänischen Militär, bei der Regimentsmusik in Czernowitz gedient hatte.

Michael Ohler war im August 2008 mit den ...
Michael Ohler war im August 2008 mit den Setterichern zu Gast bei der Schwesterkapelle in Vorchdorf. Foto: Willi Hitzenberger
Kriegsbedingt erfolgten im September 1944 die Evakuierung und Flucht der Nordsiebenbürger in Richtung Westen. Der Treck der Tschippendorfer strandete in Vorchdorf in Oberösterreich. Traumatisiert und trotz Verlust von Hab und Gut und der Heimat, hatte man den Glauben, Sitte und Brauchtum sowie den ausgeprägten Zusammenhalt nicht verloren. So kam es 1948 in einer Gemeinschaftsleitung zur Neugründung der Tschippendorfer Musikkapelle in Vorchdorf. Treibende Kraft, musikalischer Leiter und Ausbilder war Johann Ohler 8.

Sein Sohn Michael war ein guter Schüler. Sein Schulkollege Karl Dutzler (später Landtagsabgeordneter) erinnerte sich: „Der Michael war ein intelligenter Bursche, ich hab öfters bei ihm abgeschrieben.“ Die Zeit und die Umstände erlaubten es nicht, dass er eine weiterführende Schule besuchte oder zumindest eine Lehre machte. Sein musikalisches Talent wurde von seinem Vater geschult. Dabei lernte und spielte er auf verschiedenen Instrumenten, je nachdem, was gerade zur Verfügung stand.

1949 fand in Grünau im Almtal ein Musikfest mit 600 Teilnehmern statt. Das Linzer Volksblatt schrieb am 18. Juni 1949: „Eine starke Trachtengruppe aus Vorchdorf von Volksdeutschen aus Siebenbürgen war mit einer eigenen Musikkapelle erschienen. Sie fanden viel Beachtung durch ihr strammes, diszipliniertes Auftreten und erzielten begeisterten Beifall.“ Darunter als Vierzehnjähriger Michael Ohler.

Es herrschte eine gewisse Aufbruchstimmung. Erfolgserlebnisse und viel Beachtung gab es bei zahlreichen Festen, so auch in Salzburg, Wels, Lambach und Gmunden. Die Mitwirkung beim Münchner Oktoberfest 1952 war ein Höhepunkt.

Das Jahr 1953 wurde für die Gemeinschaft der Tschippendorfer in Vorchdorf und Umgebung zu einer großen Belastungsprobe. Eine Werbeaktion des Eschweiler Bergwerks-Vereins (EBV) aus dem linksrheinischen Aachener Steinkohlerevier fand starkes Gehör. Der in Aussicht gestellte wesentlich höhere Verdienst, die Bereitstellung von Bergarbeiterwohnungen und der baldige Erhalt der deutschen Staatsbürgerschaft (in Österreich sind Volksdeutsche staatenlos) zeigten Wirkung. Eine erste Gruppe der Angeworbenen reiste am 17. April nach Setterich bei Aachen aus, darunter zwölf Musiker, die ihre Instrumente im Gepäck hatten. Bis Ende 1954 waren es 198 Männer, Frauen und Kinder, die Vorchdorf und ihre Landsleute verließen. Wieder Ungewissheit, Verlust und ein Neuanfang.

Wie schon in Vorchdorf setzte sich Johann Ohler 8 auch in Setterich für die Gründung einer Musikkapelle ein. So kam es schnell zur Gründung der heutigen Blasmusikkapelle „Siebenbürgen“ Setterich. Im Sommer 1953 zählte der Verein schon 22 Mitglieder, 1959 stieg die Zahl auf 33 an, wobei 29 aus Siebenbürgen stammten. Wegen ihrer musikalischen Leistungen war die Kapelle von 1953 bis 1964 auch gleichzeitig Werkskapelle der Bergwerksdirektion 1 des Eschweiler Bergwerksvereins. In dieser Zeit waren die Vereinsmitglieder fast ausnahmslos im Bergbau beschäftigt, so auch Michael Ohler, der später beruflich zur Getränkefirma Derichs wechselte.

1955 hatte Michael Ohler seine Käthe, geborene Loogen, geheiratet. Aus der Ehe stammen die Kinder Sibille, Wolfgang und Jürgen. 1961 übernahm er mit 26 Jahren die musikalische Leitung von seinem Vater Johann Ohler. Dieser widmete sich fortan der Ausbildung von Nachwuchsmusikern in Setterich und auch in Baesweiler, wo er die Leitung des Jugendblasorchesters St. Petrus übernahm.

1966 gründete Michael Ohler die Siebenbürger Jugendblaskapelle Setterich, die bis zum Jahre 1973 aus bis zu 40 Mitgliedern bestand, darunter seinen drei Kindern. Nach 31 Jahren übergab Michael 1992 den Dirigentenstab an seinen Sohn Wolfgang, der bis 2011 als Kapellmeister wirkte. Michael stieg zurück in die zweite Reihe und spielte im tiefen Blech Posaune, Bariton oder Tuba. Mit 76 Jahren beendete er 2011 sein Wirken in der Kapelle. Danach spielte er noch vier Jahre ohne Terminstress aushilfsweise in verschiedenen Kapellen und Formationen. Im Jahre 2012 starb seine Frau Käthe, die in den fast sechs Jahrzehnten viel von dem mitgetragen hatte, was ihr Gatte als Musiker geleistet hatte. Dieser Verlust traf ihn schwer. Für Michael wurde es ein Ritual, täglich einmal (öfters auch zweimal) auf den Friedhof zu ihrem Grab zu gehen. Als seine Kräfte und Mobilität es nicht mehr erlaubten, entschloss er sich in ein Pflegeheim zu gehen. In Mariadorf (Stadt Alsdorf) verbrachte er, besucht und betreut von seiner Familie, noch zweieinhalb Jahre. Als sich sein Gesundheitszustand stark verschlechterte, kam er für kurze Zeit noch ins Krankenhaus Eschweiler, wo er am 23. April 2024 verstarb – und zu Gott, dem Schöpfer und Vollender des Lebens, heimkehren durfte.

Von seinen Musikerkollegen, die in den 30er Jahren in Tschippendorf geboren wurden, leben noch vier. Der älteste von ihnen, Georg Ohler 92, wird am 17. Juni 89 Jahre alt. Seit kurzem ist auch er im Altersheim. Als er kürzlich vom Tode seines Freundes „Ruitchi Micki“ erfuhr, weinte er. Alte Kameraden – eine Ära neigt sich dem Ende.

Am 10. Mai fand auf dem Friedhof Setterich die Trauerfeier und Urnenbeisetzung im Familienkreis statt. In Dankbarkeit und in ehrendem Gedenken verneigen wir uns vor unserem Bruder Michael Ohler. Unser Mitgefühl gilt seiner Familie. Durch Christus erfahren wir, dass der Tod nicht das Ende, sondern der Anfang eines neuen Lebens ist.

Lieber Michael, leb‘ wohl, Gott behüte dich und schenke dir seinen himmlischen Frieden.

Georg Breckner, früher Setterich, Kurator der Evang. Tochtergemeinde A.B. Vorchdorf

Schlagwörter: Setterich, Ohler, Nachruf, Musik

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