2. Juli 2024

Werke von Sieglinde Bottesch und Heinz Acker beim Sachsentreffen in Hermannstadt

Unter den mehr als 80 Kulturveranstaltungen, die für das Große Sachsentreffen vom 2.-4. August 2024 in Hermannstadt geplant sind, nehmen zwei Veranstaltungen einen besonderen Stellenwert ein: Sie richten ihren Fokus in die Vergangenheit, machen nachdenklich und mahnen, denn sie befassen sich mit den Hexenverfolgungen in Siebenbürgen.
Die Titelseite des siebenbürgischen Melodrams ...
Die Titelseite des siebenbürgischen Melodrams „Hexenszenen“ von Heinz Acker zeigt eine der Monotypien der „Hexenzyklus“ von Sieglinde Bottesch. Sowohl die Vernissage der Ausstellung des gesamten Hexen-Reihe als auch die Premiere der Komposition sind für Samstag, den 3. August 2024, in Hermannstadt vorgesehen.
Beide Künstler stammen aus Hermannstadt, beide haben ihre Kindheit auf der Konradwiese verbracht, beide waren entsetzt und tief beeindruckt von den Gräueln der Hexenververfolgung in Siebenbürgen, beide haben sich in ihrer künstlerischen Sprache damit auseinandergesetzt.

Es handelt sich um ein Konzert, die Premiere des Melodrams „Hexenszenen“, und um die Vernissage der Ausstellung mit dem Titel „Mythos und Historie“.

Heinz Acker ist der Komponist, Librettist und Dirigent der „Hexenszenen“, die mit 16 Musikern am Samstag, dem 3. August, 19.00 Uhr, in der evangelischen Stadtpfarrkirche Hermannstadt uraufgeführt werden.

Bereits eine Stunde vor dem Konzert, also um 18.00 Uhr, steht die Vernissage der Ausstellung mit Monotypien von Sieglinde Bottesch auf dem Programm des Festivals. Die bildende Künstlerin, die heute in Ingolstadt lebt und schafft, zeigt ihren „Hexenzyklus“ ebenfalls in der evangelischen Stadtpfarrkirche. Die zwischen 2017 und 2023 entstandenen Hexenbilder wurden bereits 2022 in Nürnberg ausgestellt.

Ihre Bilder, aus denen „Entsetzen und Erschütterung“ sprechen, wie sie selbst formuliert, haben den Musiker Acker zum Komponieren des Melodrams inspiriert.

Beide Veranstaltungen werden vom Demokratischen Forum der Deutschen in Siebenbürgen und vom Verband der Siebenbürger Sachsen in Deutschland organisiert sowie vom Department für interethnische Beziehungen im Generalsekretariat der Regierung Rumäniens sowie vom Kulturwerk der Siebenbürger Sachsen aus Mitteln des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales gefördert.

Für das Konzert engagiert sich zusätzlich die Staatsphilharmonie Hermannstadt.

Der Eintritt zu beiden Veranstaltungen ist frei.

Weitere Infos: http://www.sieglinde-bottesch.de, https://heinz-acker.de/

Die folgenden Interviews mit Heinz Acker und Sieglinde Bottesch führte Margrit Csiky.

Margrit Csiky

„Das schreit nach Musik“: Gespräch mit Heinz Acker über sein neues Melodram „Hexenszenen“

Herr Acker, lieber Heinz, warum gerade das Thema „Hexen“?
Es ist so, dass die meisten meiner Kompositionen nicht geplant sind, sondern meist durch einen äußeren Anlass entstehen. Da kann ich hundert Gedichte lesen oder hören und es regt sich nichts Schöpferisches in mir, aber bei einem bestimmten Gedicht springt der Funkte plötzlich über und ich weiß, das musst du vertonen, das „schreit nach Musik“. Das Thema muss mich eben „anspringen“, und dann ist plötzlich alles da, die Bereitschaft und der unbedingte Wille, ja ein „Muss“ es zu tun, wie auch die Inspiration. Dann geht es fast wie von selbst. So war es auch mit den „Hexenszenen“. Die Bilderfolge von Sieglinde Bottesch hat mich richtig „angesprungen“. Sie hat dieses grausame Thema so ausdrucksstark ins Bildliche übertragen, das hat mich tief beeindruckt. Mir war klar, das kann man, muss man in Töne übertragen, die Aussage durch eine weitere Dimension – die Musik – potenzieren.

Heinz Acker, der Komponist, Librettist und ...
Heinz Acker, der Komponist, Librettist und Dirigent des Melodrams „Hexenszenen“, beim Durchblättern einer Mappe mit Reproduktionen von Bildern des „Hexenzyklus“ von Sieglinde Bottesch. Foto: Margrit Csiky
Worauf darf sich das Publikum einstellen?
Der Inhalt der vier Szenen ist schnell erzählt. Die Aufführung beginnt mit „Verdächtigung – man sagt“: Zwei Nachbarn unterhalten sich am Zaun und verdächtigen drei Personen der Hexerei. Die zweite Szene trägt den Titel „Im Kerker“: Bei mehreren der Hexerei beschuldigte Frauen steigt die Angst vor der Verurteilung. Der mittelalterliche Hymnus „Dies irae“ (Tag des Zornes) fährt mehrfach dazwischen. Es folgt der „Tanz mit dem Teufel“: Das Treffen des Teufels mit einer Hexe beginnt zögernd und steigert sich bei satanischem Gefiedel zu orgiastischer Wildheit. Die letzte Szene heißt „Der Prozess“. Unter dem Königsrichter von Hermannstadt werden drei verdächtige Frauen in unterschiedlicher und schrecklicher Weise verurteilt. Die Namen sind frei erfunden. Die Handlung gipfelt im Schlusskommentar des Richters, der die Frauen ins Unglück stürzt und zynischerweise mit dem Rechtsverständnis seiner Zeit Gott lobt „als gerechten Richter frevelnder Sünde“.

Ein Blick auf den Programmzettel zeigt, dass es viele Mitwirkende gibt.
Ja. Die Premiere ist nicht nur musikalisch, sondern auch logistisch und organisatorisch eine große Herausforderung. Ich freue mich, dass wir Melinda Samson aus Hermannstadt (Sopran) und Tim Lucas aus Augsburg (Bariton) als Solisten gewinnen konnten. Dazu kommen neun Musiker der Staatsphilharmonie Hermannstadt, das Eybler-Trio Nürnberg mit Miryam Nothelfer/Violine, Wolfrun Brandt-Hackl/Viola und Georg Ongert/Cello und Thomas Acker am Kontrabass. Michael Acker wird für besondere elektronische Klangeffekte sorgen.

In welcher Sprache ist das Melodram verfasst?
Die Dialoge fußen weitgehend auf Formulierungen, die ich in den originalen Prozessakten gefunden habe. Es ist ein mittelalterliches Deutsch, durchsetzt mit lateinischen Rechtsbegriffen und siebenbürgisch-sächsischen Idiomen. Der Text wird im Programmheft abgedruckt, so dass man die Handlung gut verfolgen kann.

Toi, toi, toi für die Premiere in Hermannstadt und DANKE für das Gespräch.

Inneren Bildern gestalterischen Ausdruck verliehen: Gespräch mit Sieglinde Bottesch über die Monotypien des Hexenzyklus „Mythos und Historie“

Warum haben Sie gerade das Thema „Hexen“ gewählt?
Ich habe schon immer gerne Bücher illustriert. Als ich auf Ricarda Terschaks Erzählung „Kleine Hexe kleine Hexe“ stieß, war ich zutiefst erschüttert. Die Autorin lässt darin ein 14-jähriges Mädchen, das der Hexerei bezichtigt wird, seine Geschichte berichten. Terschak findet eindrückliche Bilder, um die Angst und die Verzweiflung ihrer Protagonistin sichtbar zu machen. Ihrer Geschichte stellt sie einige historische Fakten aus der „Chronik der Stadt Hermannstadt“ von Emil Sigerus voran. Für das Jahr 1675 vermerkt er beispielsweise lapidar: „Zwei Hexen werden verbrannt.“ oder für 1677 „Im Schneiderteich wird eine Hexe geschwemmt“.
Es war mir ein Bedürfnis, meinen inneren Bildern gestalterisch Ausdruck zu verleihen, und ich glaube, der Hexenzyklus kann als Mahnung verstanden werden, für das Unrecht, das Menschen anderen Menschen zufügen. Auch heute noch, auf andere Weise.

Die siebenbürgische Künstlerin Sieglinde Bottesch ...
Die siebenbürgische Künstlerin Sieglinde Bottesch in ihrem Atelier vor einigen Monotypien ihres Hexenzyklus, der unter dem Titel „Mythos und Historie“ beim großen Sachsentreffen in Hermannstadt gezeigt wird. Foto: Margrit Csiky
Die Bilder beeindrucken durch den holzschnittartig reduzierten Gesichtsausdruck der dargestellten Personen. Aber auch die dunkle, bedrückende Atmosphäre, die durch die Farbgebung entsteht, prägt sich tief ein. Welche Technik haben Sie angewandt?
Die von mir angewandte Technik lässt sich am besten als Monotypie bezeichnen. Zwar war die Vorstufe bzw. die angewandte Drucktechnik der Linolschnitt, aber jedes Blatt ist ein Unikat. Der Druckstock – also der bearbeiteten Linolplatte – wurde bei jedem Motiv gezielt eingefärbt, um die Stimmung der Bedrohung, der Angst, des Schreckens und der Ohnmacht zu transportieren. Ich hatte nämlich Transparentpapier für die Abzüge verwendet, so dass ich von der Rückseite das Abreiben der Druckfarbe steuern konnte. So entstanden je nach Bedarf kompaktere oder transparentere Stellen, bzw. Flächen. Ich konnte also bestimmte Bildelemente mehr oder weniger betonen. Außerdem habe ich nach dem vollkommenen Trocknen der Farbe, jedes Bild noch zusätzlich auf der Vorderseite bearbeitet. Dieses Prozedere gab mir die Möglichkeit, die besondere Stimmung im Bild wiederzugeben.

Wann sind die Bilder des Hexenzyklus entstanden?
Die ersten fünf Motive sind 2017 entstanden. Sie heißen: „Hexe im Gefängnis vor der peinlichen Befragung“, „Im Hexengefängnis“, „Foltern einer Hexe“, „Die Nadelprobe“ und „Die Wasserprobe“. Für die Ausstellung, die vom 8. Juli bis zum 10. September 2022 unter dem Titel „Mythologie und Historie“ in der Stadtbibliothek Nürnberg gezeigt wurde, habe ich die Zahl auf 14 Bilder erweitert. Nach dem Treffen mit Professor Acker kam 2023 noch der „Teufelsgeiger“ dazu. In Hermannstadt werden also insgesamt 15 Bilder zu sehen sein.

Wo genau und wie lange werden die Bilder in Hermannstadt ausgestellt?
Die Ausstellung mit dem Hexenzyklus wird am Samstag, dem 3. August, um 18.00 Uhr im Querschiff der Stadtpfarrkirchen Hermannstadt eröffnet. Danach ist sie bis zum 31. August im Turm der Kirche zu besichtigen.
Außerdem ist im Brukenthalmuseum auch eine kleine Retrospektive mit Werken geplant, die ich in mehr als fünf Jahrzehnten geschaffen habe (Malerei und Objekte). Sie wird am 2. August um 17.00 Uhr im Kupferstichkabinett (cabinet de stampe) eröffnet, dauert bis zum 31. August und kann von Freitag bis Sonntag, jeweils von 10 bis 18 Uhr, besichtigt werden.

Ich wünsche beiden Ausstellungen viele Gäste und danke Ihnen für das Gespräch.

Schlagwörter: Sachsentreffen 2024, Musik, Kunst

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