15. Juli 2024

Leserecho: Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft der Menschen

Zum Beitrag „Rode bedeutet für alle immer noch Heimat“ von Sabine Breihofer in Folge 10 vom 17. Juni 2024. Seite 12
Um der hochsommerlichen Hitze zu entgehen, haben wir in der zweiten Maihälfte eine neuntägige Erkundungstour durch Siebenbürgen unternommen, wobei wir auch meinen Heimatort Rode nach fünf Jahren wieder besuchten. Die von der Reporterin dort vorgefundenen und beschriebenen Verhältnisse könnte man wahrscheinlich, leicht abgewandelt, paradigmatisch für die meisten ehemalig sächsischen Dörfer annehmen. Ergänzend ließe sich noch anmerken, dass auch die Kulturlandschaft dieser Gemeinde einen tiefen Einschnitt erfahren hat. Durch das Brachlegen der zehn Weingärten ist dem Vordringen des Waldes auf diesen ehemaligen Rebhängen Tür und Tor geöffnet worden, so dass zukünftig eher von einer Waldgemeinde gesprochen werden kann.

Dass in der „Umbruchszeit“ auch vermeidbare Fehler passiert sind, muss an dieser Stelle leider auch erwähnt werden. Der alte Schwarzföhrenbestand etwa, die sogen. Duincher, wurde bald nach der Wende abgeholzt, anstatt ihn samt den beiden Tanzböden als Kulturdenkmal zu erhalten. In seiner harzigen Luft haben über Generationen die Jugendlichen bei Sommerfesten (Majalis, Peter-und-Pauls-Tag) mit Tanz und Gesang bis in die Abendstunden beglückende Tage erlebt.

Natürlich zählten auch die 18 Feldbrunnen zu dieser, wie es in einer Nachbargemeinde hieß, „hieschen Gemin“, deren Quellen wahrscheinlich zum Großteil längst versiegt sind.

Wenn man den Gemeindevertretern einen Rat geben wollte, dann sollten diese bei der Renovierung von ehemalig sächsischen Häusern einige Richtlinien per Anschlag erlassen, um den gröbsten Missgriffen bei der Fassadengestaltung und der Dachform vorzubeugen, wie es schon vor Jahren etwa Kleinschenk getan hat. Ein, allerdings negatives Alleinstellungsmerkmal hat Rode schon aufzuweisen. Dieses Ereignis war seinerzeit keiner deutschsprachigen Zeitung eine Schlagzeile wert. Im Januar 1990 soll es unter den ca. 500 Zigeunern (damalige Eigenbezeichnung) zu einem Aufruhr und einer versuchten Vertreibung der anderen Ethnien Rumänen, Ungarn und Sachsen („ethnische Säuberung“) gekommen sein.

Angesichts der numerischen Übermacht des Mobs, gegen den auch die beiden Ortspolizisten nichts ausrichten konnten, flüchteten die sich um ihr Leben Fürchtenden in die Polizeistation. Nachdem diese von den wütenden Dorfrandbewohnern belagert wurde mit der Drohung, sie in Brand zu stecken, rückten zwei Dutzend Polizisten und zwei Kompanien einer in Schäßburg stationierten Militäreinheit mit Tränengas- Granaten an, so dass gegen 20 Uhr die Ordnung wieder hergestellt war. Es wurden zwanzig Aufrührer festgenommen (Quelle: M. Laszlo, Z.C. Novak: Provocarea libertăţii, Târgu-Mureș, 16.-21. März 1990).

Bei allen kleineren Unzulänglichkeiten, die dem „westlichen“ Besucher auffallen, wird man immer wieder von einer rührenden Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft der Menschen überrascht. Etwa wenn man nachmittags nach einer Geldumtausch-Möglichkeit sich erkundigend, ein in der Nähe wohnender Bankbeamter auf der Stelle sich der Sache annimmt, und man binnen 15 Minuten für 200 Euro glatte 1000 Lei in den Händen hält. Oder: Wenn man zu einer Geburtstagsfeier in der Maldorfer Pension Zikeli, wo wir drei Tage sehr gut untergebracht waren, spontan eingeladen wird, nachdem sich meine Roder Herkunft herumgesprochen hatte! Ein ganz tiefes, unvergessliches Erlebnis!

Dazu sei an dieser Stelle noch eine, bislang wahrscheinlich unbekannt gewordene historische Hommage eines rumänischen Intellektuellen für uns Siebenbürger Sachsen auszugsweise angeführt. Sorin Preda (1951-2014), ein Großenkel des bekannten Schriftstellers Marin Preda, der als vehementer Kritiker der Ceaușescu-Diktatur, unter ungeklärten Umständen 1980 zu Tode kam, schrieb im Wochenmagazin Formula AS, August 1999, diese denkwürdigen Sätze: „Ein Jahrtausend sächsischer Geschichte in Siebenbürgen geht auf dramatische Weise zu Ende, in völliger Indifferenz dem Erlöschen ihrer zivilisatorischen Prägungen gegenüber, denen die siebenbürgischen Rumänen Enormes verdanken. Als friedliche Weggefährten unserer Geschichte hinterlassen die Sachsen eine schmerzliche Leere. Was uns jetzt noch trennt von ihnen, ist das Wort des Abschieds…Ade! Wir danken euch für ein Jahrtausend historischer Loyalität!“

Walter Schuller, Traun

Schlagwörter: Rode, Heimatort, Erinnerungen, Geschichte, Schuller

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