31. Juli 2016
Streiflichter aus der Geschichte der Siebenbürger Sachsen
Rund vierhundert Jahre nach der Ansiedlung, 1541, gab es, hätte man feiern wollen, wieder keinen Anlass, im Gegenteil. Die Osmanen hatten in diesem Jahr einen Großteil der Ungarischen Tiefebene sowie die Hauptstadt Ofen/Buda besetzt und direkt ihrer Herrschaft unterstellt. Vorangegangen waren fast zwei Jahrzehnte kriegerischer Auseinandersetzungen zwischen Habsburgern und Osmanen um die Vorherrschaft in diesem Raum, während welcher die Sachsen als treue Anhänger der Habsburger, insbesondere unter ihrem Sachsengrafen Markus Pemfflinger, einen hohen Blutzoll entrichtet haben. 1541 – 15 Jahre nach der verheerenden Schlacht bei Mohács (1526) – wurde die Teilung des mittelalterlichen Königreichs Ungarn vollendet: Im Westen, dem sogenannten „königlichen“ Ungarn mit Teilen Kroatiens im Süden und der Slowakei im Norden, behaupteten sich die Habsburger als Wahrer der eigentlichen staatsrechtlichen Kontinuität; in der Mitte entstand eine türkische Provinz, das Paschalyk von Buda; das noch „königliche“ Siebenbürgen Johanns II. Sigismund stand – zusammen mit den „Partes“, Gebieten zwischen den Siebenbürgischen Westgebirgen und der Theiß – unter osmanischer Oberhoheit und war der Pforte tributpflichtig, behielt aber seine innere Autonomie und Teile seiner außenpolitischen Handlungsfreiheit.
Ständische Nation im Fürstentum Siebenbürgen
Die Politik bestimmte hier Kardinal Georg Utješenović, genannt Martinuzzi oder Bruder Georg, zwischen den Habsburgern und Osmanen oft undurchsichtig lavierend, immer auf den Ausbau der eigenen Machtbasis bedacht. Er wollte von Siebenbürgen aus die Einheit Ungarns unter der Krone der Dynastie der Szapolyai wiederherstellen. Dafür musste er das Land im Innern festigen und organisatorisch aufbauen. Auch aus diesem Grund suchte er den Kompromiss mit allen privilegierten Ständen Siebenbürgens. Die Unio trium nationum, die sich im 15. Jahrhundert zu einer die spezifischen Interessen der Landstände Siebenbürgens vertretenden und bewahrenden Institution entwickelt hatte, baute er nun zur tragenden Säule eines neuen Staatswesens aus, zum Fürstentum Siebenbürgen. Die Sachsen spielten in diesem Ständestaat eine sehr wichtige Rolle.![Kardinal Georg Utiešenović, genannt ...](/bild/artikel/normal/2016/streiflichter_martinuzzi_1c.jpg)
Reformatio ecclesiae und religiöse Toleranz
Bereits seit den zwanziger Jahren des 16. Jahrhunderts hatten sich reformatorische Ideen in Siebenbürgen und unter seinen Sachsen verbreitet. Aber erst nach 1541 konnten die Kirchenerneuerer aktiv werden und sich durchsetzen: Im Oktober 1542 haben sie – wie der Chronist Hieronymus Ostermayer berichtet – „angefangen, evangelische Mess zu halten in Croner Kirch und die papistische weggeschafft, Gott und seinem heiligen Namen zu Ehren“.![Honterus nimmt den Eid auf das ...](/bild/artikel/normal/2016/streiflichter_miess_4c.jpg)
Die Kronstädter und Burzenländer Kirchenordnung, die ein Ratsherr, der Humanist und Buchdrucker Johannes Honterus veröffentlicht und vom Kronstädter Stadtrichter Johannes Fuchs genehmigen lassen hatte, wurde überarbeitet und am 20. April 1550 von der Nationsuniversität zur Richtschnur für das kirchliche Leben der Siebenbürger Sachsen erhoben. Am 6. Februar 1553 wählte die Synode Paul Wiener, den aus Laibach/Ljubljana stammenden Stadtpfarrer von Hermannstadt, zum ersten evangelischen Superintendenten (Bischof) der Siebenbürger Sachsen. Im Juni 1572 nahm die in Mediasch zusammengetretene Synode das Augsburgische Bekenntnis als verpflichtende Glaubensnorm an, die Evangelische Kirche Augsburger Bekenntnisses in Siebenbürgen hatte sich damit herausgebildet und organisiert.
Dieser lutherischen Glaubensgemeinschaft mit deutscher Verkündigungssprache gehörten nun alle Sachsen Siebenbürgens an, die freien und die untertänigen. Die anderen Völkerschaften des Landes waren anderen Bekenntnisses: die Rumänen griechisch-orthodox, die nicht katholisch verbliebenen Ungarn reformiert oder unitarisch, die Szekler katholisch. Glaube und Volkstum wurden auf diese Weise in Siebenbürgen zu Synonymen, was auch eine Erklärung bietet für den Erhalt der Identität der Minderheit der Siebenbürger Sachsen im andersnationalen und anderen Glaubensrichtungen anhängenden Umfeld.
Allerdings bekannte sich bereits 1557 der Landtag zu Thorenburg auf Initiative der Sächsischen Nationsuniversität, erstmals in Europa, zum Grundsatz der Toleranz, der religiösen Duldung. Zunächst wurde die Glaubensfreiheit der Lutherischen anerkannt (1557), dann jene der Calvinisten (1564) und jene der Unitarier (1568), einer vom Sachsen Franz Davidis in Siebenbürgen vor allem in den Reihen des ungarischen Adels mit Erfolg verbreiteten antitrinitarischen (die Dreieinigkeit Gottes verneinenden) Lehre. 1571 fand diese siebenbürgische Glaubensordnung ihren Abschluss: Der von den Ständen gewählte Landesherr Stephan Báthory, ein Katholik, musste einen Eid auf die Wahrung der Freiheit der vier „rezipierten“ (anerkannten) Religionen leisten. Die orthodoxe Kirche wurde nur „toleriert“ (geduldet), hatte – bei ungehinderter Religionsausübung – eingeschränkte Rechte (zum Beispiel im Kirchenbau) und Einkünfte; die Sekten wurden nicht anerkannt. Neben den Privilegien war nunmehr die Glaubensfreiheit ein wesentlicher Bestandteil der Verfassung Siebenbürgens, deren Garantie jeder Herr - scher den Ständen geloben musste. Die Zugehörigkeit zur eigenen evangelischen Kirche Augsburger Bekenntnisses wurde ein wichtiger Faktor der Identität der Siebenbürger Sachsen.
Eigenlandrecht
1583 wurde „Der Sachssen inn Siebenbürgen Statuta oder Eygen Landtrecht“ veröffentlicht, nachdem Sachsengraf Albert Huet in Krakau von König und Fürst Stephan Báthory die Einwilligung samt Bestätigung der Privilegien eingeholt hatte. Das Eigenlandrecht sicherte allen Mitgliedern der Nationsuniversität Gleichheit vor dem Gesetz zu. Das entspricht allerdings nicht voll den Tatsachen, denn soziale Unterschiede blieben selbstverständlich auch in der siebenbürgisch- sächsischen Gesellschaft bestehen, Konflikte zwischen Patriziat und Unterschichten waren gerade im 16. und 17. Jahrhundert besonders virulent.![Sachsengraf Albert Huet (rechts) mit dem ...](/bild/artikel/normal/2016/streiflichter_bayer_4c.jpg)
Dr. Konrad Gündisch
Schlagwörter: Streiflichter, Geschichte, Gündisch, Reformation, Huet
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- 01.08.2016, 22:22 Uhr von konradguen: Schon wieder der Schreibteufel! Sorry, Bankban! "Sa nu fie cu bai" [weiter]
- 01.08.2016, 22:21 Uhr von konradguen: Sehr geehrter Bankbai, das "Königliche Ungarn" mit der Hauptstadt in Pressburg/Bratislava/Pozsony ... [weiter]
- 01.08.2016, 19:33 Uhr von bankban: S.g. Herr Gündisch, vielen Dank für Ihre Ausführungen. Verstehe ich Sie richtig, wenn ich Ihre ... [weiter]
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