3. Dezember 2021
Als Musiker der Gemeinschaft gedient: Nachruf auf den Tartlauer Johann Bruss
Johann Bruss ist am 25. Oktober 2021 im Alter von knapp 92 Jahren in Fornsbach gestorben. Er hat das siebenbürgische Musikleben in Tartlau und in Böblingen jahrzehntelang geprägt und einen wichtigen Beitrag zur siebenbürgisch-sächsischen Kulturpflege geleistet.
![Johann Bruss, 2014. Foto: privat ...](/bild/artikel/normal/2021/hans_bruss_2014_2021.jpg)
Beruflich begann Johann Bruss („Muerks“) als Maurer-Lehrling 1946, arbeitete zunächst an Bahn-Baustellen, ab September 1948 in der Tuchfabrik Tartlau und dann von 1950 bis zur Aussiedlung im Kronstädter Traktorenwerk, die letzten Jahrzehnte als angesehener Elektromeister, der sich fachlich ständig fortgebildet hatte. Durch seinen Beruf sicherte er den Lebensunterhalt seiner Familie. 1955 heiratete er Katharina geb. Zerbes, die ihm drei Söhne schenkte: Hans, Werner und Sigmar Markus.
Von der Musik konnte Johann Bruss trotz seiner großen Begabung nicht leben. Aber Musik hat sein ganzes Leben geprägt und zur Erfüllung gebracht. 1940 fing er an, Musikinstrumente zu lernen, zunächst Akkordeon, sowie 1947 Klarinette und Saxophon. 1946/1947 gehörte er zu den Sängern des von Pfarrer Reich gegründeten Tartlauer Jugendchors. Seit 1948 spielte er in der Blaskapelle Tartlau und war eine feste Größe im Kirchenchor. In den sechziger Jahren sang er auch im Tartlauer Männerquartett, das er leitete. Seit 1957 bildete er sich an der Kunstschule („Școala populară de artă“) in Kronstadt fort: Drei Jahre lang belegte er die Klasse für Klarinette und zwei Jahre lang wurde er als Dirigent für Chor und in Harmonielehre ausgebildet. Im August 1967 wurde er zum Leiter der vereinigten Blaskapelle Tartlau bestimmt. 20 Jahre lang leitete und formte er die Blaskapelle Tartlau zu einem technisch gut ausgebildeten Klangkörper.
Schon in den sechziger Jahren gründete er ein Leichtmusikorchester, das bis zu seiner Ausreise unter seiner Leitung auf zahlreichen Hochzeiten in Tartlau und in anderen Burzenländer Gemeinden aufspielte. Auch die technisch anspruchsvolle rumänische Volksmusik beherrschte er (Klarinette und Saxophon) perfekt und war dadurch auch bei der rumänischen Bevölkerung sehr beliebt. Außerdem spielte er jahrelang in der Blasmusik der Traktorenwerke Kronstadt und wurde oft zur Aushilfe in der Militärkapelle gerufen.
![Johann Bruss (vorne links) mit der Tartlauer ...](/bild/artikel/normal/2021/hans_bruss_2011_siegbert_bruss.jpg)
Johann Bruss hat zahlreiche Musikstücke für Blasmusik und Chor arrangiert. Für seine Verdienste um die Pflege siebenbürgisch-sächsischer Tradition erhielt er 1998 das Goldene Ehrenwappen des Verbands der Siebenbürger Sachsen.
Johann Bruss starb am 25. Oktober 2021 nach einem erfüllten Leben, das er in erheblichem Maße der siebenbürgisch-sächsischen Gemeinschaft gewidmet hatte. Sein jüngster Sohn Sigmar Markus Bruss, der in der Tartlauer und Böblinger Blaskapelle Flügelhorn und Trompete spielte, erinnert sich, dass sein Vater ihm und seinen beiden Brüdern immer wieder einen Spruch des Großvaters nahegebracht habe: „Müßiggang ist aller Laster Anfang“. Zu einem Leitspruch für Johann Bruss wurde der Konfirmandenspruch, den er am 5. April 1945 in Tartlau erhalten hatte: „Wachet, steht im Glauben, seid mutig und seid stark!“ Diesen Konfirmationsspruch stellte Pfarrer Steffen Kaltenbach in den Mittelpunkt seiner Predigt zur Beerdigung von Johann Bruss am 28. Oktober in Fornsbach. Der Pfarrer betonte seine außerordentliche Tatkraft, Liebe und Lebensleistung. „Bei aller Anpassungsfähigkeit und aktiver Gestaltung seines Lebens hier in Südwestdeutschland ist er im Herzen immer ein Tartlauer, ein Siebenbürger Sachse geblieben“, sagte Kaltenbach. Musikalisch umrahmt wurde die Trauerfeier von sechs Musikanten der Siebenbürger Blaskapelle Böblingen und dem Chor des Gesangvereins Fornsbach.
Volkmar Kirres, Nachbarvater der 9. Tartlauer Nachbarschaft, würdigt Johann Bruss als prägende kulturelle Persönlichkeit Tartlaus: „Wer kannte ihn nicht, den langjährigen Chef der Tartlauer Blasmusik und des Orchesters, der wie kaum ein Zweiter das musikalische Leben Tartlaus geprägt und gefördert hat? Doch auch nach seiner Ausreise hat Johann Bruss in der neuen Heimat durch seine Kulturarbeit innerhalb der Tartlauer Nachbarschaft und darüber hinaus neue Maßstäbe gesetzt und sich durch seinen Beitrag unvergesslich ins Gedächtnis aller Tartlauer eingeprägt. Mit Johann Bruss verliert die 9. Tartlauer Nachbarschaft ein höchst verdienstvolles Mitglied und seine Familie den Vater, Großvater und Urgroßvater, zu dem alle respektvoll und voller Bewunderung aufgesehen haben. Johann Bruss hat sich vor allem durch seinen unermüdlichen Beitrag bei der Gestaltung des kulturellen Nachmittags unserer Tartlauer Treffen einen Namen gemacht. Der Auftritt von Blasmusik, gemischtem Chor und Männerquartett unter seiner fachkundigen und mitreißenden Leitung war über viele Jahre eine feste Größe bei unseren Treffen wie auch beim Heimattag in Dinkelsbühl. Wir werden Johann Bruss als den langjährigen Kulturreferenten unserer Nachbarschaft (1990-2006) in bleibender Erinnerung bewahren und sprechen den trauernden Hinterbliebenen unser aufrichtiges Beileid aus.“
Siegbert Bruss
Schlagwörter: Musik, Tartlau, Böblingen, Blasmusik, HOG
40 Bewertungen:
Noch keine Kommmentare zum Artikel.
Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.