12. März 2024

Franz Hodjaks jüngste Aphorismen und Gedichte: Reinen Wein eingeschenkt von einem Freigeist

Mit einem Gedicht der Woche überrascht nun der vielleicht doch noch ganz jung gebliebene Franz Hodjak auf Instagram, per Video auf Facebook, wie er seinen ungarischen Lyrikband vorstellt, aber auch schon wieder analog mit zwei Büchern in Deutschland.
Es handelt sich um einen Band Aphorismen, „Das Glas gibt dem Wein die gewünschte Form“, erschienen bei Königshausen & Neumann, und um ein Faltblatt mit Gedichten und Graphiken, „Das Zündblättchen 112“, in der Edition Dreizeichen.

„Hodjak goes Instagram and Facebook“, könnte man zeitgeistfrönend sagen, denn auch der Dichter scheint, mit der Zeit zu gehen. Schwierigkeiten haben allenfalls seine Rezensentinnen und Rezensenten mit dem sportlichen Tempo, das er vorgibt.

Seit einiger Zeit schon erscheint das Gedicht der Woche auf seinem von seiner Enkelin eingerichteten Instagram-Account „franz_hodjak“. Über ein Dutzend Gedichte wurden bereits hochgeladen, weitere stehen für über ein Jahr bereit. Es sind neue, unveröffentlichte Gedichte, die vielleicht später auch in einem Buch erscheinen werden.

Da Franz Hodjak nicht mehr verreisen kann, hat er außerdem ein Videofragment zur Premiere seines Buches nach Klausenburg geschickt. Das Buch „Lélegzetvételek“ auf Ungarisch hieße übersetzt „Atemholen“ und es vereint neuere Gedichte. Es ist im Exit Kiadó Verlag in Klausenburg erschienen. Die Grafiken dazu stammen von der Tochter, Astrid Hodjak. Es ist bereits das vierte Buch der Übersetzerin Enikö Szenkovics.

Hermann Naumann: Tuschpinselzeichnung in Franz ...
Hermann Naumann: Tuschpinselzeichnung in Franz Hodjaks „Das Zündblättchen 112“
Im „Zündblättchen“, werden ebenfalls neuere Gedichte des Autors von geheimnisvollen Grafiken in Schwarz-Weiß eingerahmt. Sie sind durchzogen von den Fragen nach dem Wichtigen im Leben, der Hoffnung, der Einsamkeit, den Zweifeln. Nicht fehlen darf dabei der Wein als Stichwortgeber, der auch den Titel des Bandes mit Aphorismen stellt.

Der Wein gilt hier als Erinnerung, mehr denn als edel mundender Tropfen, und als Symbol, als das Geistige, denn „Mit der Wahl des Glases geben wir dem Wein die richtige Form“. (S. 22) So scheint auch Hodjak seine Essenz im Aphorismus vorstellen zu wollen. Nicht umsonst stellt er fest: „Der Aphorismus verkürzt den Weg zur Einsicht“. (S. 47)

Die jüngste Sammlung, denn es sind bereits vier Bände des Autors mit Aphorismen erschienen, stellt dementsprechend Beobachtungen, autobiografische Schnipsel, Lebensweisheiten, humorige Bemerkungen vor. Manchmal sind es Wortklaubereien im positiven Sinne, die Unterschiede auftun, wo man sie nicht vermutet hätte, so zwischen „Kommunikation“ und „Verständigung“, oder zwischen „benötigen“ und „brauchen“, bis man sich vor lauter Unterscheidung gleich ganz im Kreis dreht: „Die Lustlosigkeit kommt von der schlechten Laune, die von der Lustlosigkeit kommt“. (S. 96). Oft sind die Sprüche mit Ironie, Sarkasmus, oder Galgenhumor gepaart, manchmal auch mit Zynismus. Die Grundhaltung des Autors ist eine zwar abgeklärte aber dennoch hoffnungsvolle, denn „Zynismus ist die ultimative Entscheidung, dem Absurden nicht zu vergeben“. (S. 97) Die Aphorismen stimmen nachdenklich, überraschen, manchmal schockieren sie.

Keine direkte Antwort auf tagesaktuelle Fragen, aber doch einen Bezug darauf lässt sich darin erkennen, wenn sich der Autor gegen die Verharmlosung der rechten Spießer ausspricht, darauf aufmerksam macht, dass der, der den Streit beginnt, auch immer der ist, der ihn nicht aufhören will, dass Toleranz offen für Missbrauch ist, oder dass die auf der Flucht am schwersten mit der Freiheit zurechtkommen. Hodjak versucht sich auch intertextuell, indem er bereits bekannte Aphorismen umdeutet: „Wo kein Wille ist, geht man sich aus dem Weg“.

Manchmal hingegen ist der Weg zum Aphorismus zu simpel dargestellt, beispielsweise zuweilen, wenn es um Frauen geht, „Hinter jedem Glück steckt eine Frau, hinter jedem Unglück steckt eine andere Frau“. (S. 98). Einmal, als es um Depressionen geht: „Zu Depressionen neigen vor allem Menschen, die den Unsinn für den Ernst des Lebens halten“. (S. 72) Entschädigt wird man durch andere wiederum: „Die Frau ist der Wind, der Mann das Windrad“ (S. 106), oder: „Wenn schon ein Heimatministerium, dann auch ein Ministerium für Heimatlose.“

Auf jeden Fall ist die Grundhaltung des Autors die eines Freigeists, der seine Freiheit in der Kunst und in der Sprache gefunden hat, denn „Sprache macht den Freigang der Gedanken möglich“ (S. 27), wie er hintersinnig formuliert.

Angereichert und abgerundet wird das Buch durch das Nachwort von Alexander Eilers, einem Exkurs über den Wein in der Literatur und Kultur. Ein nächster Band mit Aphorismen ist bereits in Vorbereitung.

Seien es Wahrheiten, die man so noch nicht wahrgenommen hat, seien es neue Sichtweisen, die einem so noch nie aufgefallen sind, oder nur eine schöne Form von etwas Altbekanntem – Hodjaks Sammlung von Aphorismen erweist sich als sehr gelungen. Man muss sie jedoch in kleinen Schlucken zu sich nehmen und das Bouquet noch im Mund nachwirken lassen.

Edith Ottschofski

Franz Hodjak: Das Glas gibt dem Wein die gewünschte Form. Aphorismen. Würzburg: Königshausen & Neumann, 2023, ISBN 978-3-826079948, 20,00 Euro

Franz Hodjak: Das Zündblättchen 112, Überelbsche Blätter für Kunst und Literatur, Heft 4/2023, Hermann Naumann, Tuschpinselzeichnungen, Edition Dreizeichen, Meißen, 1,50 Euro

Franz Hodjak: Lélegzetvételek. Válogatott versek. Übersetzung: Szenkovics Enikö, Illustrationen: Astrid Hodjak, Koloszvár: Exit Kiadó, 2023.

Schlagwörter: Rezension, Hodjak, Gedichtband, Aphorismen, Instagram

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