14. November 2022
Sieglinde Bottesch im Kunstforum Ostdeutsche Galerie – im Dialog mit Arbeiten von Bernard Schultze
Es ist eine Gegenüberstellung, die zunächst überrascht und die Besucher ästhetisch wie intellektuell herausfordert und anregt: Die naturfarbenen und von der Natur inspirierten Objekte von Sieglinde Bottesch (*1938), die still ihre Wirkung entfalten, und die gestisch-abstrakten, meist bunten und wild in den Raum wachsenden Arbeiten von Bernard Schultze (1915-2005). Wenige Ähnlichkeiten scheinen sie auf den ersten Blick zu haben. Doch im Wesen sind sie miteinander verwandt: Beide sind sie an der Nahtstelle zwischen Kunst und Natur angesiedelt. Das macht auch ihren Reiz aus – die künstlichen Formen vermitteln das Gefühl lebendiger Geschöpfe und ihrer Verwandlungen. Der Titel „Wachsen und Vergehen“ ist Ausgangspunkt und Motto der Ausstellung in Regensburg, die beide Künstlerpositionen gegenüberstellt.
![Sieglinde Bottesch mit ihrem Werk „Quell“ von ...](/bild/artikel/normal/2022/sieglinde_bottesch_mit_ihrem_werk_quell_2022.jpg)
Als Malerin, Grafikerin und Objektkünstlerin beschäftigt sich die in Hermannstadt geborene Sieglinde Bottesch insbesondere seit ihrer Emigration nach Deutschland im Jahr 1987 mit der Natur und deren Prozessen. Von inneren Impulsen ausgehend, erfasst sie die Zwischenstadien des Seins – die Übergänge, ohne diese genau zu definieren. Seit dem Jahr 2000 entwickelt sie plastische Arbeiten, die wie rätselhafte, in sich ruhende Wesen aussehen: mal tierähnlich, mal an Pflanzen erinnernd. Für ihre Objekte verwendet die Künstlerin Keraquick und Gipsbinden. Diese tränkt sie in Tee, schichtet und formt sie, schleift und poliert sie bis sie wie Elfenbein schimmern, eine lederne Patina bekommen oder wie eine vertrocknete Fruchtschale aussehen. Gerne verwendet sie auch Chinapapier und Naturmaterialien wie Hanf, Kokoswolle und Wachs. Auch ihre in der Ausstellung gezeigten grafischen Kompositionen bewegen sich zwischen Motiv und Abstraktion.
Diese Übergangszustände zwischen Materie und Kreatur, zwischen Wachsen und Verwesen und die damit einhergehenden Verwandlungsprozesse sind der Anknüpfungspunkt für den Dialog mit den Werken von Bernard Schultze. Der aus Schneidemühl (heute Piła, Polen) stammende Künstler war einer wichtigsten Vertreter der abstrakten Stilrichtung des Informel in Deutschland. Mitte der 1950er Jahre fing er an, seinen Bildlandschaften eine plastische Oberfläche zu verleihen und sie reliefhaft in den Raum wachsen zu lassen. Es entstanden rätselhafte Wesen, die er „Migof“ nannte. Trotz eines vom Unterbewusstsein gesteuerten Herstellungsprozesses bleiben seine abstrakten Grafiken, (Relief-)Bilder und Skulpturen assoziativ und verweisen auf traumhafte Gegenwelten.
![„Verlangen“, 2015 © Sieglinde Bottesch. Foto: Uwe ...](/bild/artikel/normal/2022/sieglinde_bottesch__verlangen_2022.jpg)
![Bernard Schultze: Migof-Rendez-vous, 1963/65, © ...](/bild/artikel/normal/2022/bernard_schultze__migof_rendez_vous_2022.jpg)
Dr. Iris Oberth
Die Ausstellung „Wachsen und Vergehen. Sieglinde Bottesch – Bernard Schultze“ ist bis zum 29. Januar 2023 (verlängert) im Kunstforum Ostdeutsche Galerie, Dr.-Johann-Maier-Str. 5, in Regensburg zu sehen. Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag 10.00 bis 17.00 Uhr, Donnerstag bis 20.00 Uhr. Führung mit Sieglinde Bottesch zum Thema „Bilder als Rätsel des Daseins“ am 4. Dezember, 11.00-12.00 Uhr. Weitere Infos unter www.kunstforum.net.
Schlagwörter: Bottesch, Ausstellung, Regensburg, Kunst
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