19. Juni 2022
Gewichtiges Zeitdokument der Russlanddeportation: Zur Vorstellung des Ausstellungskatalogs „Skoro damoi!“
Der Ausstellungskatalog „‚Skoro damoi!‘ Hoffnung und Verzweiflung. Siebenbürger Sachsen in sowjetischen Arbeitslagern 1945-49“ konnte pandemiebedingt erst im Rahmen des diesjährigen Heimattags vorstellt werden. Das Siebenbürgische Museum Gundelsheim hatte das Buch schon 2020 zum 75. Gedenken an den Beginn der Deportation herausgegeben. Die gleichnamige Ausstellung wird bis zum 3. Juli 2022 im Haus der Geschichte Dinkelsbühl präsentiert. Sie entstand in Zusammenarbeit des Siebenbürgischen Museums mit dem Haus der Geschichte Dinkelsbühl und dem Kulturreferat des Verbands der Siebenbürger Sachsen in Deutschland. Ausstellung sowie Katalog wurden gefördert durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien und den Förderverein des Siebenbürgischen Museums.
![Zwischen sowjetischen Arbeitslagern und ...](/bild/artikel/normal/2022/heimattag_dkb_2022_irmgard_sedler_midissage_skoro_amoi_img_3397_3_2022.jpg)
![Dr. Ingrid Schiel stellt mit Phillip Schürlein ...](/bild/artikel/normal/2022/heimattag_skoro_damoi_buchvorstellung_2022_heimattag_schuller_054_2022.jpg)
Abschließend dankte sie seitens des Siebenbürgen-Instituts für die gute Zusammenarbeit mit dem Siebenbürgischen Museum und übergab Dr. Irmgard Sedler, Vorsitzende des Trägervereins des Siebenbürgischen Museums Gundelsheim sowie Autorin des Kataloges und Kuratorin der Ausstellung, das Wort. Dr. Irmgard Sedler, deren Eltern beide deportiert worden waren, erläuterte zunächst, dass jemand, der sich an ein so komplexes und emotionales Thema wage, Einfühlungsvermögen und wissenschaftliche Distanz gleichermaßen, vor allem aber auch langen Atem brauche.
![Dr. Irmgard Sedler bei der Midissage der ...](/bild/artikel/normal/2022/heimattag_skoro_domoi_sedler_kk_4c.jpg)
Des Weiteren verwies Irmgard Sedler auf die besondere Rolle der Fotografie in der Deportationszeit, da nahezu keine Fotografien der realen Lebensumstände in den Lagern vorhanden sind. Die erhaltenen Fotos geben vielmehr sozusagen eine „heile Welt“ wieder, zeigen gut gekleidete, fröhliche junge Menschen. Wozu dienten diese von den Deportierten selbst erstellten bzw. in Auftrag gegebenen Bilder? „Die jungen Menschen brauchten ein Gegenüber von sich selbst“, so Dr. Sedler. „Eine Vergewisserung, dass sie überlebt hatten. Damit wurden die Fotos zu Medien der Selbstachtung, zu einem letzten Halt in unmenschlichen Umständen.“
In einem dritten Abschnitt ihrer Lesung griff sie das besondere Schicksal jener Deportierten auf, die nach ihrer Zwangsarbeit zunächst in die sowjetische Besatzungszone verbracht und trotz ihrer schlechten Verfassung von den deutschen Familien, bei denen sie einquartiert wurden, manchmal wie Dienstboten behandelt wurden. Viele mussten sich selbst auf gefährlichen Wegen zu Verwandten und Bekannten durchschlagen. Manche schafften es unter Lebensgefahr sogar zurück in die siebenbürgische Heimat, wurden jedoch auf dem Weg dorthin von Polizei und Grenzbeamten bisweilen festgehalten, schikaniert oder sogar beim „illegalen“ Grenzübertritt von Ungarn nach Rumänien beschossen.
Durch die erhaltenen Zeitdokumente werden die Geschichten dieser Menschen im Ausstellungskatalog sehr individuell und emotional, jedoch ohne Pathos erfahrbar.
![](/bild/artikel/normal/2022/skoro_damoi_cover_katalog_2021_4c.jpg)
Gebannt und bewegt hörten die Anwesenden auch die Geschichten von Kindern, die im Lager geboren wurden und aufgrund der Umstände nur wenige Tage überlebten, oder jene zum Schicksal von Grete L. aus Groß-Alisch, die wie viele zwar das Lager überlebte, aber an den Folgen der Deportation 1948, mit nur 27 Jahren, in Ludwigsburg verstorben ist.
Neben all den bitteren Fakten, die im Vortrag Dr. Irmgard Sedlers zur Sprache kamen, berichtete sie aber auch von glücklichen Ereignissen wie der Lebensgeschichte einer Frau, die im Lager geboren wurde, überlebte und für die Ausstellung Erinnerungsstücke an ihre Mutter und die frühe Kindheit, die auch Beweis für die Solidarität der Lagerinsassen untereinander sind, zur Verfügung stellte. Mit diesem Beispiel dankte die Autorin allen, die ihr erlaubt hatten, ihre Lebensgeschichte im Ausstellungskatalog zu dokumentieren. Abschließend dankte sie Ute Heiß vom Haus der Geschichte Dinkelsbühl für die sehr gute Zusammenarbeit sowie Dr. Ingrid Schiel, Dr. Markus Lörz und Dr. Harald Roth für die redaktionelle Mitarbeit am 315 Seiten umfassenden Katalog. Im Anschluss richtete Dr. Markus Lörz, der Leitende Kurator des Siebenbürgischen Museums, für die großartige, ehrenamtlich geleistete, wissenschaftliche Arbeit einen herzlichen Dank an Dr. Irmgard Sedler. Er wies außerdem nochmals auf die finanzielle Beteiligung des Fördervereins des Siebenbürgischen Museums hin und warb darum, diesem beizutreten, damit solche Projekte zur Erforschung und Vermittlung siebenbürgischen Kulturguts auch in Zukunft realisiert werden könnten.
Die Veranstaltung schloss Ute Heiß seitens des Hauses der Geschichte mit einem Dank für die gute Zusammenarbeit. Sie informierte zudem darüber, dass die erfolgreiche Ausstellungskooperation mit dem Siebenbürgischen Museum zukünftig fortgeführt werden soll. Die sehr gelungene Veranstaltung klang mit einem vom Haus der Geschichte organisierten Umtrunk für alle Anwesenden aus.
Markus Lörz
Irmgard Sedler: „… skoro damoi! Hoffnung und Verzweiflung. Siebenbürger Sachsen in sowjetischen Arbeitslagern 1945-1949“. Herausgegeben vom Siebenbürgischen Museum, Verlag Renate Brandes, Altenriet, 2020, 312 Seiten, ISBN 978-3-9819701-9-7. Für nur 29,00 Euro (zzgl. Versandkosten) ist der Katalog im Museumsshop des Siebenbürgischen Museums, im Buchhandel oder direkt beim Verlag Renate Brandes erhältlich.
Schlagwörter: Ausstellung, Russlanddeportation, Katalog, Buchvorstellung, Heimattag 2022
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