23. August 2007
Eine Kronstädter Institution
Man muss schon weit zurückgreifen, um 100 Jahre zu erfassen, und noch weiter ausholen, um ein Menschenleben zu begreifen. Alex, wie Alexander Franz Kravatzky genannt wurde, wäre am 9. Juli 2007 einhundert Jahre alt geworden. Am 23. Juli jährt sich sein Todestag zum 25. Mal. Mit seiner Werkstatt gehörte er zu den wenigen deutschen Kronstädtern der Nachkriegszeit, die sich noch als selbstständige Unternehmer behaupten konnten. Seine Körbe, die Qualität seiner Arbeit und seine Offenheit, mit der er seinen Kunden entgegentrat, machten ihn zu einer beliebten Anlaufstelle in Kronstadt.
Kravatzkys Großvater war Küfer, k.u.k.-Soldat von 1848 und kam aus dem polnischen Galizien. Der Großvater mütterlicherseits hieß Andreas Müllner, war Korbflechter, auch k.u.k.-Soldat von 1848 und kam aus der Wiener Vorstadt Alsergrund. Beide Großväter heirateten Frauen aus Honigberg, nur dass Müllner sich in Kronstadt niederließ und Kravatzky in Honigberg blieb. 1867, also vor 140 Jahren, finden wir im Adressbuch der Stadt Kronstadt die erste Eintragung von Andreas Müllner, Korbflechter, Am Breiten Bach 48. 1871 zieht er dann in die obere Burggasse in das Haus Nr. 17. Andreas Kravatzky, der Vater von Alex, wurde in Honigberg geboren, hatte in Kronstadt und Wien das Handwerk des Korbflechters gelernt, 1888 in Bukarest eine eigene Werkstatt und Firma gegründet und war zum königlichen Hoflieferanten aufgestiegen. 1899 hatte er in Kronstadt die Werkstatt des Schwiegervaters Andreas Müllner übernommen. Als Presbyter, Kommandant der freiwilligen Feuerwehr der oberen Burggasse, als Mitglied des Gewerbevereins und der Bürgerpartei brachte er sich ins gesellschaftliche Leben Kronstadts ein.
Als jüngstes von sechs Geschwistern lernte Alex das Handwerk des Vaters und fand schon früh Gefallen am Fußballspiel und an der Leichtathletik. Er wurde nicht nur Korbflechter und Kaufmann, sondern auch Verteidiger (Beck) in der Olympia-Fußballmannschaft sowie ein erfolgreicher Leichtathlet. Als Mitglied des Kronstädter Turnvereins half er beim Umbau des ehemaligen Turnschulgartens zu einem modernen Sportplatz mit.
Als sein Vater 1931 unerwartet starb, konnte er die Werkstatt weiterführen. Sein beruflicher Erfolg als Korbflechter und Kaufmann war die Basis des Familienglücks. Gefallen an der Jagd fand er durch seinen Schwiegervater, den Apotheker Fritz Lukas, einen gebürtigen Mediascher. Seine Frau Helene Caroline Lukas, selbst Apothekerin im letzten Ausbildungsjahr, brachte den musischen Teil in die Familie. Ihre Liebe zur Musik, zur Geschichte, zur Handarbeit (im Besonderen Stickarbeiten) hat die Familie sehr geprägt. Es war kein Einzelschicksal, dass Alex im August 1944 verhaftet und im Januar 1945 nach Russland verschleppt wurde. Im Dezember 1949 kehrte er heim, doch schon im August 1952 wurde er wieder verhaftet und ohne gerichtliche Verurteilung zur Zwangsarbeit an den Donau-Schwarz-Meerkanal verschleppt.
In dieser Zeit musste die Familie das Haus in der Burggasse 17 in Kronstadt räumen. Sie fand Unterkunft in Tartlau beim Großbauern Nicolae Rechiteanu, Nr. 599, wohin Alex Kravatzky im April 1954 „heimkehrte“. Danach folgte die Rücksiedlung ins Elternhaus in die Burggasse 17 in Kronstadt. Da ihm in all diesen Jahren die sportlichen Tugenden stets vorstanden, war seine moralische und körperliche Haltung ungebrochen. In seiner Werkstatt in der Waisenhausgasse fanden sich seine Sportfreunde und Leidensgenossen ein, und es wurde so manche hitzige Diskussion über Sport oder Politik geführt. Auch ausländische Besucher der Schwarzen Kirche kamen durch das schmale Schulgässchen in die Waisenhausgasse zum Korbflechter Kravatzky. Wenn aber der amerikanische Botschafter bei ihm Ware bestellte oder abholte, stand der Einbahnverkehr in der Waisenhausgasse still. Nachdem Vater Andreas Kravatzky in Bukarest königlicher Hoflieferant war, wurde Sohn Alex Kravatzky in Kronstadt für ca. 15 Jahre (bis 1981) Lieferant der amerikanischen Botschafter. Freilich wusste die Securitate von diesen Besuchen der Botschafter und so wurde Alex Kravatzky auch immer pünktlich in den Hauptsitz der Securitate in der Angergasse gerufen, oder es fand sich ein Vertreter des Sicherheitsdienstes in der Werkstatt ein, wo dann hinter verschlossenen Läden die Geheimgespräche stattfanden.
„Ehrlich wehrt am längsten“ war das Lebensmotto von Alex Kravatzky. Das „Deutsche Reich“ war freilich ein Ideal, ein hohes Ziel, aber für Alex Kravatzky nie ein Grund, seine Heimat, Kronstadt zu verlassen. „Wenn ihr gehen wollt, geht. Ich bleibe!“ waren seine Worte. Und so kam es dann auch. Der älteste Sohn ging 1972, der jüngste folgte 1980 nach, eine Tochter kam 1982 hinterher. Just zwei Wochen nach seinem 75. Geburtstag hörte das Herz auf zu schlagen. Das war vor knapp 25 Jahren. Viel zu früh, wie die Familie und die Freunde befanden. Alex Kravatzky war noch nicht einmal Rentner. Er stand noch mit 75 Jahren voll im Berufsleben.
Ihm und seinem Berufsstand zu Ehren haben die Familie und ein ehemaliger Lehrling und Gesell dem Siebenbürgischen Museum den vollständig ausgestatteten Arbeitsplatz eines Korbflechters mit dem originalen Firmenschild Kravatzky gespendet. Wenn wir die heutige Diskussion in Deutschland über Integration und Zuwanderung hören, müssen wir uns doch fragen: Wie konnten in Siebenbürgen Zuwanderer wie Kravatzky und Müllner ohne Parteiprogramme zu „guten Siebenbürgern“ werden? Tatsache ist, nicht nur Siebenbürgen hat alle Zuwanderer in sein Herz geschlossen, sondern auch alle Zuwanderer haben Siebenbürgen in ihr Herz geschlossen. „Mer wälle bleiwe wat mer sen!“
Als sein Vater 1931 unerwartet starb, konnte er die Werkstatt weiterführen. Sein beruflicher Erfolg als Korbflechter und Kaufmann war die Basis des Familienglücks. Gefallen an der Jagd fand er durch seinen Schwiegervater, den Apotheker Fritz Lukas, einen gebürtigen Mediascher. Seine Frau Helene Caroline Lukas, selbst Apothekerin im letzten Ausbildungsjahr, brachte den musischen Teil in die Familie. Ihre Liebe zur Musik, zur Geschichte, zur Handarbeit (im Besonderen Stickarbeiten) hat die Familie sehr geprägt. Es war kein Einzelschicksal, dass Alex im August 1944 verhaftet und im Januar 1945 nach Russland verschleppt wurde. Im Dezember 1949 kehrte er heim, doch schon im August 1952 wurde er wieder verhaftet und ohne gerichtliche Verurteilung zur Zwangsarbeit an den Donau-Schwarz-Meerkanal verschleppt.
In dieser Zeit musste die Familie das Haus in der Burggasse 17 in Kronstadt räumen. Sie fand Unterkunft in Tartlau beim Großbauern Nicolae Rechiteanu, Nr. 599, wohin Alex Kravatzky im April 1954 „heimkehrte“. Danach folgte die Rücksiedlung ins Elternhaus in die Burggasse 17 in Kronstadt. Da ihm in all diesen Jahren die sportlichen Tugenden stets vorstanden, war seine moralische und körperliche Haltung ungebrochen. In seiner Werkstatt in der Waisenhausgasse fanden sich seine Sportfreunde und Leidensgenossen ein, und es wurde so manche hitzige Diskussion über Sport oder Politik geführt. Auch ausländische Besucher der Schwarzen Kirche kamen durch das schmale Schulgässchen in die Waisenhausgasse zum Korbflechter Kravatzky. Wenn aber der amerikanische Botschafter bei ihm Ware bestellte oder abholte, stand der Einbahnverkehr in der Waisenhausgasse still. Nachdem Vater Andreas Kravatzky in Bukarest königlicher Hoflieferant war, wurde Sohn Alex Kravatzky in Kronstadt für ca. 15 Jahre (bis 1981) Lieferant der amerikanischen Botschafter. Freilich wusste die Securitate von diesen Besuchen der Botschafter und so wurde Alex Kravatzky auch immer pünktlich in den Hauptsitz der Securitate in der Angergasse gerufen, oder es fand sich ein Vertreter des Sicherheitsdienstes in der Werkstatt ein, wo dann hinter verschlossenen Läden die Geheimgespräche stattfanden.
„Ehrlich wehrt am längsten“ war das Lebensmotto von Alex Kravatzky. Das „Deutsche Reich“ war freilich ein Ideal, ein hohes Ziel, aber für Alex Kravatzky nie ein Grund, seine Heimat, Kronstadt zu verlassen. „Wenn ihr gehen wollt, geht. Ich bleibe!“ waren seine Worte. Und so kam es dann auch. Der älteste Sohn ging 1972, der jüngste folgte 1980 nach, eine Tochter kam 1982 hinterher. Just zwei Wochen nach seinem 75. Geburtstag hörte das Herz auf zu schlagen. Das war vor knapp 25 Jahren. Viel zu früh, wie die Familie und die Freunde befanden. Alex Kravatzky war noch nicht einmal Rentner. Er stand noch mit 75 Jahren voll im Berufsleben.
Ihm und seinem Berufsstand zu Ehren haben die Familie und ein ehemaliger Lehrling und Gesell dem Siebenbürgischen Museum den vollständig ausgestatteten Arbeitsplatz eines Korbflechters mit dem originalen Firmenschild Kravatzky gespendet. Wenn wir die heutige Diskussion in Deutschland über Integration und Zuwanderung hören, müssen wir uns doch fragen: Wie konnten in Siebenbürgen Zuwanderer wie Kravatzky und Müllner ohne Parteiprogramme zu „guten Siebenbürgern“ werden? Tatsache ist, nicht nur Siebenbürgen hat alle Zuwanderer in sein Herz geschlossen, sondern auch alle Zuwanderer haben Siebenbürgen in ihr Herz geschlossen. „Mer wälle bleiwe wat mer sen!“
J.K.
Schlagwörter: Kronstadt, Handwerk
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