12. Juli 2021
„Wenn du anders bist, wie bin ich?“ Richard Langs autobiografische Notizen über Indien
Der, oder hier das, Andere sind bei Richard Lang Indien und seine Kultur sowie die tiefgreifende Erfahrung von Interkulturalität und „Anderssein“. In seinem Buch „Indien denkt anders – eine interkulturelle Begegnung“ gelingt dem 1945 in Schäßburg in Siebenbürgen geborenen, langjährigen Dozenten an Goethe-Instituten sowie späteren Institutsleiter in Nigeria, Sri Lanka und Mexiko mit seinen „Autobiografischen Notizen“ über seine zwölfjährige Tätigkeit in Indien eine überaus lesenswerte Mischung aus Kulturführer, sozio-philosophischer Reflexion und wunderbar unterhaltsamer, erhellender Anekdotensammlung.
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Die Grundhaltung, die sich aus „der unüberschaubaren Vielfalt in der Einheit des indischen Kulturraums“ und dem internen Umgang damit ergibt, ist, dass „Gegensätze viel eher eine Ganzheit formen“. Dies bedeutet, „diese Gegensätze nicht nur als gegeben, sondern als notwendige Teile ein und desselben Ganzen [zu] akzeptieren“. Eine grundlegende Welterfahrung und der wohl fruchtbarste Umgang damit. Dabei geht es nicht um Assimilierung, um ein Verschmelzen mit dem Anderen, sondern „um den Eintritt in eine Resonanz mit der anderen Kultur“.
Dies drückt auch schon der Titel aus: „Indien denkt anders“ – hier wird klar aus einer kulturell geprägten (in diesem Fall europäischen) Perspektive heraus berichtet und überlegt. Und gerade das ist auch gut so. Alles andere wäre nur ein (unreflektiertes) Verschleiern der eigenen kulturellen Brille, durch die man blickt. Der Knackpunkt ist, dass es bei diesem Plädoyer für die Begegnung von Kulturen um ein Begegnen auf Augenhöhe geht. Alles andere wird letztlich nie funktionieren. Solange es nämlich für den Betrachter nur „das Eine“, das Seine gibt, ist jede Einschätzung „des Anderen“ nicht vollständig bis falsch, und dabei oft begleitet von Abwehr bis Aggression. Wenn das Eigene dabei mit „gut“, zumindest aber mit „normal“ gleichgesetzt wird, ist der Schritt nicht weit, das Andere zwangsläufig mit „schlecht“ oder zumindest „nicht normal“ zu besetzen. Dieses ist ein zentrales Thema in der Friedens- und Konfliktforschung.
![Am Taj Mahal. Foto: Richard Lang ...](/bild/artikel/normal/2021/am-tag-mahal-1_4c.jpg)
Neben dem spannenden Blick, der sich den Lesern in den indischen Kulturraum öffnet, ist Richard Langs Buch insbesondere auch lesenswert als eine reflektierte Abhandlung übers „Anderssein“. Eine grundlegende Erfahrung eines jeden Menschen in verschiedenen Kontexten und Situationen, aber eben auch von kulturellen Gemeinschaften – seien es nun positive, negative oder schlicht Erfahrungen, über die und den Umgang damit es sich nachzudenken lohnt.
Der Autor Richard Lang, geboren 1945 in Schäßburg, war zuletzt sechs Jahre lang Leiter des Goethe-Instituts Sri Lanka, bevor er in den Ruhestand trat. Nach Studien der germanischen Sprachen, der Kunstgeschichte und der Weltliteratur arbeitete er von 1963-1974 als Rundfunkredakteur in Bukarest. 1976 begann seine 33-jährige Tätigkeit am größten deutschen Kulturinstitut, dem Goethe-Institut, wo er die Dozentenlaufbahn einschlug und 1985 mit einem Aufenthalt am Goethe-Institut Buenos Aires seine Auslandslaufbahn begann. Sie führte ihn von Deutschland aus nach Indien, Nigeria, Mexiko und Sri Lanka, vom Leiter der Abteilung für Kulturprogramme zum Leiter der Sprachabteilung und schließlich Institutsleiter in Lagos/Nigeria, Guadalajara/Mexiko und Colombo/Sri Lanka. Neben Deutsch spricht er fließend Englisch, Spanisch und Rumänisch. Er ist mit der argentinisch-deutschen Künstlerin Cora Lia Espagnol (www.coradelang.com) verheiratet und Vater von drei Kindern, die allesamt dreisprachig aufwuchsen.
Dr. Iris Oberth
Richard Lang: „Indien denkt anders – eine interkulturelle Begegnung“, tredition Verlag, Hamburg, 2020, 171 Seiten, 12,99 Euro, ISBN 978-3-347-07596-2
Schlagwörter: Buch, Buchvorstellung, Indien, Schäßburg
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