30. Juni 2024

„Eile ist nicht geboten“

In der bekannten Reiseführerreihe „111 Orte“ ist im Frühling dieses Jahres ein Band zu Siebenbürgen erschienen. „111 Orte in Transsilvanien, die man gesehen haben muss“ von Joscha Remus klärt die Fragen „Was haben King Charles und ein alter Flugsaurier mit dem Walachenfürsten Vlad III. Drăculea gemeinsam? Wie gelingt der Ritt auf einem Wasserbüffel? Und was hatte Paracelsus am Goldfluss zu suchen?“ (so der Klappentext) und wartet mit vielen weiteren Überraschungen auf, die Lust auf eine Entdeckungsreise machen.
Auf jeweils einer Doppelseite (links der Text, rechts ein bis zwei Bilder) stellt Joscha Remus 111 besondere Dörfer, Gebäude, Höhlen, Gassen, Seen, Wasserfälle, Museen, Felder, Wege und vieles mehr vor, und weil es zu jedem der durchnummerierten Einträge immer noch mindestens einen Extratipp gibt, sind es eigentlich über doppelt so viele Besonderheiten in Siebenbürgen, die sich mit diesem Reiseführer entdecken und erkunden lassen. Die Karte am Ende des Buches, auf der die 111 Nummern vermerkt sind, bietet einen guten ersten Überblick, genaue Anfahrtshinweise und Kontaktdaten liefert der Autor zu jedem Ort auf der entsprechenden Seite.

Siebenbürgen sei ein Land des Zaubers und der unerwarteten Wunder und immer für eine Überraschung gut; es habe Dinge zu bieten, die im übrigen Europa kaum mehr zu finden sind, und sei kein Land für Instant-Touristen, heißt es im Vorwort. „Eile ist nicht geboten“, lautet demnach das Fazit des Autors, der familiäre Wurzeln „am Karpatenbogen“ hat, wie der Kurzbiographie im Buch zu entnehmen ist, und schon seit Jahrzehnten reist – nicht nur durch Südosteuropa, sondern eigentlich durch die ganze Welt – und darüber schreibt. Unter anderem hat er Bücher über Australien, Neuseeland, Rumänien und Luxemburg vorgelegt, was eine Verbindung zu Siebenbürgen bietet, die im vorliegenden Band auch thematisiert wird: Einer der 111 Orte ist nämlich „Der Wegweiser nach Luxemburg“ mit der Nummer 106, „jenes ominöse gelbe Verkehrsschild am westlichen Ortseingang“ von Schönau, „das die Richtung ins 1.973 Kilometer entfernte Esch-sur-Sûre in Luxemburg anzeigt“. Hier bietet Joscha Remus einen kleinen Exkurs zu Herkunft und Geschichte der Siebenbürger Sachsen; schade ist allerdings, dass Schönau nur mit seinem rumänischen Namen Şona genannt wird.

Überhaupt lässt sich leider keine Einheitlichkeit bei der Nennung der Ortsnamen erkennen – manche werden nur mit der rumänischen Bezeichnung angeführt, obwohl es auch eine deutsche gibt, manche abwechselnd in Deutsch und Rumänisch, einige, wenn es inhaltlich passt, auch in Ungarisch. Das Stichwort ist hier Vielfalt, die sich auch in der breit gefächerten Auswahl der Besuchstipps zeigt: Zu entdecken gibt es (Eis)Höhlen; Gässchen in Hermannstadt und Gassen in Schäßburg, das Dorf, in dem es täglich zwei Sonnenaufgänge gibt; die ältesten Bäume Rumäniens in der Nähe von Streitfort; Basaltsäulen; transsilvanische Alphörner; Kräuter- und botanische Gärten; ein Narzissenfeld im Harbachtal; einen ganzen „Ozean aus Sonnenblumen“; Wasserfälle; ein Strohhut- und ein Eiermuseum; den Pilgerpfad Via Transilvanica; das „Dorf der Steinpoeten“ und vieles mehr. Fehlen dürfen weder die Kirchenburgen (obwohl angesichts deren Vielfalt nur sehr wenige aufgeführt werden) noch die Hermannstädter Lügenbrücke, die orientalischen Teppiche in der Schwarzen Kirche zu Kronstadt, die Törzburg oder das ASTRA-Freilichtmuseum, um nur einige Beispiele der bekannteren touristischen Ziele zu nennen. Aber die gute Mischung macht’s: Das Oberth-Museum in Mediasch und das Mitgiftzimmer in Mera, die Kirchenburg in Deutsch-Weißkirch und das Kalenderschloss in Zau de Câmpie, die Felsenburg in Eisenmarkt und das verborgene Dorf Raven’s Nest sind alle auf ihre Weise einzigartig und einen Besuch wert. Das zeigt Joscha Remus, der Zacuscă als „den wohl leckersten Gemüseaufstrich der Welt“ bezeichnet, in seinem Reiseführer – und dass er die siebenbürgisch-sächsischen Gastgeber im Boutique-Hotel Le Baron in Găneşti (deutsch Gallendorf) konsequent Jekili statt Jikeli nennt, lassen wir ihm einfach mal durchgehen.

dr

Joscha Remus: „111 Orte in Transsilvanien, die man gesehen haben muss“. Emons Verlag, Köln, 2024, 240 Seiten, 18 Euro, ISBN 978-3-7408-0856-3.

Schlagwörter: Buch, Reisen, Siebenbürgen

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