26. Juni 2024

Zukunft in lebendiger Gemeinschaft: Zum 75. Geburtstag des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland

Der Verband der Siebenbürger Sachsen in Deutschland e.V. feiert heute seinen 75. Geburtstag. „Die Gründung unseres Verbandes am 26. Juni 1949 wurde zu einer Erfolgsgeschichte. Trotz Flucht, Aussiedlung und Heimatverlust ist es uns gelungen, in der neuen Heimat als Siebenbürger Sachsen bestehen zu bleiben und unsere Werte an unsere nachfolgenden Generationen weiterzureichen“, sagte der Bundesvorsitzende Rainer Lehni beim Heimattag am Pfingstsonntag, dem 19. Mai, in Dinkelsbühl (siehe SbZ Online). In dem folgenden Aufsatz, den er dem 75-jährigen Verbandsjubiläum widmet, geht er nun auf das Potential ein, das die Jugend bietet und uns hoffnungsfroh für die Zukunft unseres Verbandes macht. Wie kam es aber dazu? Nachfolgend wagt der Bundesvorsitzende einen kleinen Rückblick und Ausblick zu unserem Verband und beleuchtet seine wichtigsten Tätigkeitsfelder.
„Aus Tradition und Liebe zum Tanz“ – unter diesem ...
„Aus Tradition und Liebe zum Tanz“ – unter diesem Motto wurde mit viel Lebensfreude und jugendlichem Schwung am Pfingstsonntag, dem 19. Mai 2024, vor der Schranne und auf dem Schweinemarkt getanzt. Foto: Volker Plattner
Unter dem Titel „Zukunft in lebendiger Gemeinschaft“ hatte ich vor 15 Jahren eine kurze Abhandlung über die Jugendarbeit im Verband der Siebenbürger Sachsen in Deutschland geschrieben. Dabei hob ich die überaus positive Entwicklung der siebenbürgisch-sächsischen Jugendarbeit in unserem Verband hervor. Jetzt, 15 Jahre später und im 75. Jahr des Bestehens unseres Verbandes, darf ich voller Zuversicht feststellen, dass sich unsere damaligen Wünsche für die Zukunft unserer Gemeinschaft mehr als erfüllt haben. Man möge dabei nur an die vielen jungen Gesichter beim diesjährigen Heimattag der Siebenbürger Sachsen in Dinkelsbühl denken. „Wenn nicht alles täuscht und so weitergemacht wird, wie in den letzten Jahren, befinden sich die Siebenbürger Sachsen in der Bundesrepublik am Beginn einer beispielhaften Entwicklung: Sie gewinnen die Jugend für sich“, schrieb Hans Bergel, der damalige Schriftleiter der Siebenbürgischen Zeitung, 1981 in einer Reportage für den Bayerischen Rundfunk. Wie Recht Bergel mit dieser Aussage haben sollte, zeigt sich, wenn wir einen Bogen aus der Vergangenheit bis heute schlagen.

Das Ende des Zweiten Weltkriegs fand Tausende von Siebenbürger Sachsen im zerstörten und geteilten Deutschland wieder. Siebenbürger Sachsen, die vor dem Krieg bereits in Deutschland gelebt und gearbeitet hatten, waren darunter ebenso wie aus der Wehrmacht und Waffen-SS entlassene Soldaten, die nicht mehr in ihre Heimat zurückkehren konnten und wollten, Flüchtlinge aus Nordsiebenbürgen, die aus Österreich hauptsächlich nach Bayern weitergezogen waren und auch zahlreiche aus der Zwangsarbeit in der Sowjetunion nach Deutschland entlassene Deportierte. Ende der 1940er Jahre werden rund 50.000 Landsleute im westlichen Teil Deutschlands gezählt.
Historischer Moment: Im Plenarsaal des nordrhein ...
Historischer Moment: Im Plenarsaal des nordrhein-westfälischen Landtags wird am 26. Mai 1957 die Patenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen für den Verband der Siebenbürger Sachsen in Deutschland feierlich verkündet. Foto: Hans Retzlaff
Bereits 1945 wurde im Präsidium des Deutschen Roten Kreuzes in München eine „Betreuungsstelle für Südostdeutsche“ eingerichtet, deren Aufgabe der Aufbau eines Suchdienstes, die Zusammenführung von Familien und bestimmte Hilfestellungen war. Die Aufgaben dieser Beratungsstelle wurden nahtlos von dem am 6. Februar 1947 in München gegründeten Hilfskomitee der Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben übernommen, in guter siebenbürgisch-sächsischer Tradition sowohl im kirchlichen als auch im weltlichen Bereich tätig. Da sich die evangelische Kirche nicht in der Lage sah, die außerkirchlichen Aufgaben des Hilfskomitees zu tragen und zu übernehmen, entstand bald die Idee einer weltlichen Interessenvertretung der Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben.

Unser Verband ist nur ein paar Tage jünger als das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, das am 23. Mai 1949 erlassen wurdet. Damit war es im Westen Deutschlands wieder möglich politische Parteien und Vereine zu gründen. So wurde am 26. Juni 1949 der Verband der Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben in Deutschland gegründet und bald danach in München als 58. Verein ins dortige Vereinsregister eingetragen. Bei der Gründungsversammlung in den Räumen des Hilfskomitees in der Himmelreichstraße 3 in München wurde der erste Vorstand mit dem ersten Bundesvorsitzenden Fritz Heinz Reimesch (zugleich auch Vorsitzender des Hilfskomitees) gewählt. Von den 23 Gründungsmitgliedern (20 Männer und drei Frauen) waren 18 Siebenbürger Sachsen und fünf Banater Schwaben. Nachdem die Banater Schwaben 1950 ihre eigene Landsmannschaft gründeten, hieß der Verband bis 1951 Verband der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, von 1951 bis 2007 Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen in Deutschland und seit 2007 wieder Verband der Siebenbürger Sachsen in Deutschland.
6000 Siebenbürger Sachsen demonstrierten am 4. ...
6000 Siebenbürger Sachsen demonstrierten am 4. Dezember 1982 vor dem Kölner Dom gegen die Rückzahlung der Ausbildungskosten durch Aussiedler aus Rumänien. Als Redner traten Prof. Dr. Friedhelm Fahrtmann, Patenminister, und Hans Bergel, stellvertretender Bundesvorsitzender des Verbandes, auf.
Der Sitz des Verbandes blieb immer in München. Kurzzeitig befand sich der Sitz beim Hilfskomitee in der Himmelreichstraße 3, dann bis 1955 in der Reitmorstraße, von 1955 bis 2000 in der Sendlinger Straße 48 (später 62) und seit Oktober 2000 in den Räumen in der Karlstraße 100, die sich im Eigentum des Verbandes befinden. Der Verband war ursprünglich auf Bayern beschränkt, so dass seine Geburtsstunde zugleich jene der Landesgruppe Bayern ist. Nach und nach wurde der Verband durch mehrere Landesgruppen erweitert. Es folgten am 11. Dezember 1949 die Landesgruppe Südwest (ab 1952 Baden-Württemberg), 1950 Hessen und Niedersachsen (zu dem noch Bremen hinzukommt), 1951 Nordrhein-Westfalen und Hamburg, 1955 Berlin. Die Landesgruppe Schleswig-Holstein wurde 1973 mit Hamburg zusammengelegt. 1957 kam der Landesverband Saar hinzu, der 1974 mit der Landesgruppe Rheinland-Pfalz verschmolz.

Die Bundesvorsitzenden waren in der Reihenfolge ihrer Amtszeit: Fritz Heinz Reimesch 1949-1952, Dr. Dr. Heinrich Zillich 1952-1963 (von 1959 bis 1963 in einer Doppelspitze als Sprecher), Erhard Plesch 1959-1977, Dr. Wilhelm Bruckner 1977-1983, Dr. Wolfgang Bonfert 1983-1989, Dankwart Reissenberger 1989-1992, Volker Dürr 1992-2007, Dr. Bernd Fabritius 2007-2017 (2015-2017 in einer Doppelspitze als Verbandspräsident), Herta Daniel 2015-2019 und Rainer Lehni seit 2019.

Der Verband der Siebenbürger Sachsen widmet sich von Beginn an der Interessenvertretung im gemeinschaftlichen, politischen, rechtlichen, kulturellen, sozialen und gesellschaftlichen Bereich. Mit der Gründung des Verbandes wird eine demokratisch strukturierte Vereinigung der Siebenbürger Sachsen in Deutschland geschaffen, die seither das organisierte siebenbürgisch-sächsische Leben in der neuen Heimat gestaltet. Frei nach dem bekannten Lied „Mer walle bleiwe, wat mer sen“ will die Volksgruppe der Siebenbürger Sachsen als solche weiterhin bestehen bleiben, allerdings stets angepasst an neue Zeiten und Umstände.

Verbunden sind unsere Landsleute seit Juni 1950 durch die Siebenbürgische Zeitung, die seit vielen Jahrzehnten jährlich in 20 Folgen erscheint. Die Zeitung ist das Sprachrohr des Verbandes und berichtet über alle wichtigen Ereignisse aus der sächsischen Welt weltweit, seit dem Umbruch von 1990 auch verstärkt aus Siebenbürgen. Ergänzt wird dieses Pressemedium seit 2000 durch den Internetauftritt www.siebenbuerger.de, heute das umfangreichste Internetportal zum Thema Siebenbürger Sachsen. In den letzten Jahren ist der Verband auch in den sozialen Medien wie Facebook, Instagram und YouTube aktiv, eine Präsenz, die heute nicht mehr wegzudenken ist.

Heimattag in Dinkelsbühl ein Familien- und Generationenfest

Das sichtbarste Zeichen unseres Verbandes in der Öffentlichkeit ist der Heimattag, der jährlich am Pfingstwochenende in Dinkelsbühl stattfindet. Nach dem berühmten „Tag der Heimat“ von 1950 in Stuttgart, bei dem die Charta der Heimatvertriebenen verabschiedet wurde, entstand die Idee, Bundestreffen der Vertriebenenverbände durchzuführen. Dinkelsbühl war zu Beginn der 1950er Jahre ein Siedlungsschwerpunkt der Siebenbürger Sachsen in Deutschland und hier fand daher zu Pfingsten 1951 das erste Bundestreffen statt, die später dann Heimattag genannt wurden. Bis auf zwei Heimattage (1952 in Rothenburg o.d. Tauber und 1966 in Wels) fanden alle in Dinkelsbühl statt, in der Coronapandemie 2020 und 2021 in digitaler Form, jedoch mit Onlineübertragungen aus Dinkelsbühl. Beim ersten Heimattag waren bereits 4.000 Landsleute zu Gast in Dinkelsbühl, bei den Heimattagen 1990 und 2012 wurden mit 25.000 Personen die meisten Teilnehmer gezählt. In den letzten Jahren bewegen sich die Besucherzahlen konstant im Bereich von 15.000 bis 20.000 Personen. Drei Tage befindet sich dann Dinkelsbühl in sächsischer Hand. Der Heimattag bietet eine Vielzahl von Veranstaltungen für alle Generationen und ist seit vielen Jahrzehnten ein richtiges Familien- und Generationenfest. Die hervorragende Zusammenarbeit mit der gastgebenden Stadt Dinkelsbühl gipfelte in der 1985 abgeschlossenen Partnerschaft. Heute ist der Heimattag der Siebenbürger Sachsen das größte Treffen im Bereich der Aussiedler- und Vertriebenenverbände deutschlandweit. In den Medien wurde von den Heimattagen immer wieder Notiz genommen, vor allem dann, wenn prominente Politiker zu Gast waren: Bundeskanzler Willy Brandt, Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher oder die Ministerpräsidenten Johannes Rau, Horst Seehofer, Armin Laschet und Markus Söder.
Feierstunde „850 Jahre Siebenbürger Sachsen“ am ...
Feierstunde „850 Jahre Siebenbürger Sachsen“ am 27. Oktober 1991 in der Paulskirche in Frankfurt am Mai. Foto: Horst Fleischer

Rechtliche und politische Interessenvertretung

Der Verband hat von Anfang an die politischen und rechtlichen Interessen der Siebenbürger Sachsen wahrgenommen. Das war auch dringend nötig, denn Anfang der fünfziger Jahre war es noch nicht klar, dass den Siebenbürger Sachsen oder anderen Südostdeutschen die gleichen Rechte zustehen wie den Vertriebenen und Flüchtlingen aus den deutschen Ostgebieten. So war der Verband beim Soforthilfegesetz von1950 noch nicht beteiligt, aber beim Lastenausgleichgesetz von 1952. Das war das Ergebnis aktiver Interessenvertretung. Die Siebenbürger Sachsen kamen demnach auch in den Genuss des Bundesvertriebenengesetzes von 1953, des Fremdrentengesetzes ebenfalls von 1953 und des Gesetzes zur Regelung von Fragen der Staatsangehörigkeit von 1954. Für die Integration in die neue bundesdeutsche Gesellschaft setzte sich der Verband mit allen seinen Gliederungen bis zum Ende der Aussiedlungswelle ein. Viele Kreisgruppen haben hier in ehrenamtlicher Arbeit vorbildliche Hilfestellungen für die Neuankömmlinge geleistet.

Ab Mitte der 1990er Jahre standen wieder rechtliche Angelegenheiten im Vordergrund. Hier sind das Kriegsfolgenbereinigungsgesetz von 1993 zu nennen, bei dem es der Verband – vor allem durch seine Rechtsreferenten Dr. Johann Schmidt und Ernst Bruckner – geschafft hat, dessen Auswirkungen für die Landsleute in Siebenbürgen abzumildern, so dass der Grund Vereinsamung weiterhin für aussiedlungswillige Landsleute möglich war. Größere Auswirkungen auf viele Siebenbürger Sachsen hatte das Wirtschafts- und Beschäftigungsförderungsgesetz von 1996, durch das die Fremdrenten für künftige Rentner um 40 Prozent gekürzt wurden. Dieses Gesetz hatte zur Folge, dass die „Interessengemeinschaft gegen Fremdrentenkürzungen“ initiiert wurde. Ein Anwaltspool unter der Federführung der Rechtsreferenten und Dr. Bernd Fabritius ging mit betroffenen Fällen durch die Gerichtsinstanzen, das auch in Abstimmung mit den mitbetroffenen Landsmannschaften der Banater Schwaben und der Deutschen aus Russland. Das Bundesverfassungsgericht entschied 2006, dass der Gesetzgeber Übergangslösungen für die „rentennahen“ Jahrgänge verabschieden muss. Leider wurden diese Regelungen im Rentenversicherungs-Altersgrenzenanpassungsgesetz von 2007 sehr bescheiden bemessen. Der Verband kritisiert daher bei vielen Gelegenheiten diese immer noch bestehenden Kürzungen, auch mit Blick auf die Ost-Renten, die inzwischen an die West-Renten angeglichen wurden. Von dem Härtefallfonds der Bundesregierung von 2022, der Auszahlung einer Einmalentschädigung, wurden unsere Landsleute mehrheitlich ausgeschlossen, weil der Gesetzgeber als Stichtag den 1. Januar 1993 festgelegt hatte – fast alle Siebenbürger Sachsen sind bekanntlich vor diesem Datum nach Deutschland zugezogen. Der Verband wird sich auf politischer Ebene weiterhin für die Beseitigung der Rentenungerechtigkeit einsetzen.

Rumänien entschädigt Russlanddeportierte

Eine positive Entwicklung hat jedoch die Gesetzesregelung in Rumänien für eine Vielzahl von siebenbürgischen Familien gebracht. Das Gesetz 113/1990, durch das ehemalige Deportierte in die Sowjetunion und Opfer des kommunistischen Regimes in Rumänien eine monatliche Entschädigung erhalten, wurde 2013 auch auf die im Ausland lebenden Betroffenen ausgeweitet. Auf Initiative u.a. des Abgeordneten des Deutschen Forums im rumänischen Parlament, Ovidiu Ganţ, wurde diese Entschädigung ab 2020 auch auf die Kinder der Deportierten und Opfer des Kommunismus ausgeweitet. Der Verband hat nicht nur durch engen Kontakt mit den Verantwortlichen des Forums an der Gesetzesänderung mitgewirkt, sondern auch sehr vielen Betroffenen bei der Antragstellung in Rumänien geholfen. Tausende Familien erhalten seither monatliche Entschädigungszahlungen aus dem rumänischen Staatshaushalt. Es ist eine moralische Wiedergutmachung Rumäniens, die die Mehrzahl der ehemaligen Deportierten zwar nicht mehr selbst, aber ihre Kinder erleben können.
Tradition blickt in die Zukunft – links eine ...
Tradition blickt in die Zukunft – links eine Tracht aus Tschippendorf und rechts aus Großscheuern, aufgenommen beim Heimattag 2024. Foto: Günther Melzer

Familienzusammenführung

Jahrzehntelang setzte sich der landsmannschaftliche Verband für die Familienzusammenführung in Deutschland ein. In den ersten Jahren nach dem Krieg war nicht klar, wie sich die politische Lage in der Heimat entwickeln werde. Mehr und mehr setzte sich jedoch die Erkenntnis durch, dass eine Rückkehr ins nun kommunistische Rumänien ausgeschlossen sei. Weil sich auch Überlegungen zur geschlossenen Umsiedlung z.B. nach Amerika bald zerschlagen hatten, wurde an der Weiterführung der siebenbürgisch-sächsischen Gemeinschaft in Deutschland gewirkt. Eine Aussprache über Zukunftsfragen der Siebenbürger Sachsen während einer Tagung in Rimsting vom 28. bis 29, Dezember 1954 führte zur Entscheidung, die Familienzusammenführung zu unterstützen. In den 1950er und 1960er Jahren lag der Fokus bei der Ausreise von Angehörigen der deutschen Minderheit in Rumänien zum Zweck der Familienzusammenführung. Die Politik der Landsmannschaft wurde auch durch die „Vier-Punkte-Erklärung“ der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen vom 2. Juli 1963 untermauert. Gemäß dieser Erklärung sollte kein Siebenbürger Sachse gezwungen werden, die Heimat zu verlassen oder dort zu bleiben. Jedem Siebenbürger Sachsen müsse geholfen werden, unabhängig, ob er ausreisen will oder sich entscheidet, in der Heimat zu verbleiben. Von 1968 bis 1989 zahlte die Bundesregierung Kopfgelder zum Abkauf der deutschen Minderheit aus dem kommunistischen Rumänien. Bemerkenswert ist die Großdemonstration vom 4. Dezember 1982 vor dem Kölner Dom, als über 6000 Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben gegen die festgelegte Rückzahlung von Ausbildungskosten durch Ausreisewillige an den rumänischen Staat protestierten. Der Sturz des Diktators Nicolae Ceauşescu Ende 1989 führte dazu, dass alle Dämme brachen und 1990/1991 im Zuge des sogenannten „Exodus“ die meisten noch in Siebenbürgen lebenden Landsleute nach Deutschland ausreisten. Heute leben in Deutschland geschätzte 250.000 bis 300.000 Siebenbürger Sachsen.

Siedlungen in Deutschland gegründet

Des Weiteren setzte sich der Verband für die Gründung von siebenbürgisch-sächsischen Siedlungen im Bundesgebiet ein. In Bayern siedelten sich viele Siebenbürger Sachsen nach dem Krieg in den neuen Vertriebenenstädten Waldkraiburg, Geretsried und Traunreut an. Kleinere Siedlungen folgten in Dinkelsbühl 1955, Rosenheim 1956 und Eckenheid bei Nürnberg 1958.

Durch die „Kohleaktion“ von 1953 kamen mehrere tausend Landsleute aus Österreich in die Bergbaugebiete von Nordrhein-Westfalen, wo 1953/1954 die siebenbürgischen Bergmannssiedlungen in Herten-Langenbochum, Oberhausen-Osterfeld und Setterich gegründet wurden und bald zu großen Stützen des noch jungen Verbandes wurden. Eine Folge dieser Siedlungsgründungen war die Übernahme der Patenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen über die Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, die am 26. Mai 1957 in einem Festakt im Düsseldorfer Landtag verkündet wurde. Diese Patenschaft besteht bis heute und hat sich zu einer richtigen Partnerschaft entwickelt. Mit Unterstützung der Landesregierung von NRW wurde die Siebenbürger-Sachsen-Siedlung in Drabenderhöhe errichtet, die 1966 eingeweiht wurde. In den 1970er und 1980er Jahren folgte weitere kleinere Siedlungen in Untereschbach, Overath, Marienheide-Griemeringhausen, Gummersbach-Bernberg, Waldbröl-Eichen und Düsseldorf-Hellerhof.

Sozialer Einsatz

Eine starke soziale Zielsetzung verfolgt der Verband seit seiner Gründung. Die Hilfeleistungen an Landsleute im Nachkriegsdeutschland führten bald zur Entstehung von Strukturen, durch die diese Aufgaben besser umgesetzt werden konnten. Zu Beginn wurden mit Pakethilfen auch Landsleute in der DDR und in Österreich unterstützt. Das Sozialreferat des Verbandes, das von 1957 bis 1995 von Wilhelm Schiel geleitet wurde, übernahm vom Frauenreferat diese sozialen Aufgaben und wuchs insbesondere während der Hochwasserkatastrophe von 1970 in vielen siebenbürgischen Gemeinden im Kokelgebiet über sich hinaus. 1986 wurde das „Sozialwerk der Siebenbürger Sachsen“ vom Verband als eigenständiger Verein gegründet, das seit nunmehr fast vier Jahrzehnten die sozialen Aufgaben des Verbandes betreut. Vor allem gleich nach dem Umsturz von 1989 in Rumänien wurden unzählige Hilfstransporte nach Siebenbürgen durchgeführt. Das Sozialwerk war am 1992 neu eröffneten Altenheim in Schweischer maßgeblich beteiligt und unterstützt es auch heute. Ebenfalls mit Unterstützung des Sozialwerks wurde 1992 die Saxonia-Stiftung in Kronstadt (später mit Sitz in Rosenau) gegründet, mit der bis heute vorbildlich zusammengearbeitet wird. Auch Landsleute, die in Deutschland leben und in Not geraten, werden vom Sozialwerk unterstützt. Geleitet wurde es in den fast vierzig Jahren seines Bestehens von den sehr engagierten Vorsitzenden Wilhelm Schiel, Peter Pastior und Dr. Johann Kremer.

Eine weitere wichtige Aufgabe im sozialen Bereich ist die Altenpflege. Die in den 1950er und 1960er Jahren entstehenden siebenbürgischen Altenheime in Deutschland waren ursprünglich für betagte Siebenbürger Sachsen gedacht, die ihren Lebensabend in einem heimatlichen Umfeld verbringen wollten. Zum Betrieb dieser Altenheime wurden durch den Verband Trägervereine ins Leben gerufen. Bald öffneten die Heime in Rimsting (1952), Gundelsheim (1960), Osterode im Harz (1960) und Drabenderhöhe (1966) ihre Pforten. Hinzu kam 1973 das Siebenbürgerheim Lechbruck, das jedoch keine Gründung des Verbandes war und heute in kirchlicher Obhut steht. Rimsting und Drabenderhöhe funktionieren auch heute einwandfrei, zudem haben beide Heime eine gemeinnützige GmbH gegründet, um die vielen rechtlichen Vorgaben besser umsetzen zu können. In beiden Heimen sind heute Siebenbürger Sachsen und Einheimische gleichermaßen willkommen. Osterode besteht ebenfalls bis heute, hier sind jedoch seit vielen Jahren keine Landsleute mehr zuhause.
Bundesvorsitzende beim Fackelzug des Heimattages ...
Bundesvorsitzende beim Fackelzug des Heimattages 2024 in Dinkelsbühl, v.l.: Volker Dürr, Rainer Lehni, Herta Daniel und Bernd Fabritius. Foto: Peter Baumgartl-Fabritius
Einen Sonderfall bildet Gundelsheim mit Schloss Horneck. Das 1960 erworbene Schloss beherbergte nicht nur ein Altenheim, sondern wurde mit dem Siebenbürgen-Institut und der ihr angeschlossenen Siebenbürgischen Bibliothek sowie dem Siebenbürgischen Museum zum Kulturzentrum der Siebenbürger Sachsen in Deutschland. 2015 nach der Insolvenz des Trägervereins, des Hilfsvereins des Siebenbürger Sachsen „Johannes Honterus“ e.V., wurde unter der Federführung des Verbandes und seines Bundesvorsitzenden Dr. Bernd Fabritius und mit Unterstützung aller siebenbürgischer Einrichtungen sowie vieler privater Spenden das Schloss aus der Insolvenzmasse erworben, damit die Kultureinrichtungen weiter hier verbleiben können. Während das Altenheim vom Insolvenzverwalter veräußert wurde (es wird heute als „Pflegestift Gundelsheim“ von der Dienste für Menschen gGmbH betrieben), übertrug der Verband das Schloss zur Bewirtschaftung und Erhaltung dem neuen Trägerverein Siebenbürgischen Kulturzentrum „Schloss Horneck“. Damit ist der Standort für die zentralen Kultureinrichtungen der Siebenbürger Sachsen in Deutschland gesichert.

Weltweiter Zusammenhalt

Die Siebenbürger Sachsen arbeiten über Grenzen und Kontinente hinweg im Rahmen der Föderation der Siebenbürger Sachsen seit vielen Jahren zum Wohle der Gesamtgemeinschaft zusammen. Seit 1954 besteht die Zusammenarbeit der Verbände in Deutschland und Österreich, bald danach auch mit den Verbänden in Kanada und den USA. Institutionalisiert wurde diese Zusammenarbeit im Jahr 1983 durch die Gründung der Föderation der Siebenbürger Sachsen als Dachverband der Verbände in Deutschland, Österreich, Kanada und den USA. 1993 trat auch das Demokratische Forum der Deutschen in Siebenbürgen der weltweiten Föderation bei. Damit ist die grenzüberschreiende Kooperation für die Zukunft gesichert. Die Föderation setzt zwei Schwerpunkte, der ältere davon sind die bereits seit 1971 alle zwei Jahre stattfindenden Internationalen Siebenbürgisch-Sächsischen Jugendlager, die seit 1990 Föderationsjugendlager heißen. Im Juli 2024 werden 26 Jugendliche am Föderationsjugendlager in Kanada teilnehmen. Der andere Schwerpunkt ist der ebenfalls alle zwei Jahre durchgeführte Kulturaustausch. 2023 war die Siebenbürger Nachbarschaft Traun aus Österreich zu Gast in Übersee, 2025 wird die Cleveland Saxon Dance Group zu Besuch in Deutschland und Österreich erwartet. Allgemein arbeiten alle diese Verbände heute hervorragend zusammen. Sichtbares Zeichen wird gerade im August 2024 das zweite Große Sachsentreffen in Hermannstadt sein, an dem alle diese Verbände mitwirken und es zu einem richtigen Welttreffen der Siebenbürger Sachsen machen. Erwähnt werden muss auch die Zusammenarbeit mit den Heimatortsgemeinschaften, die bis in 1950er Jahre reicht. 1997 wurde der Verband der Siebenbürgisch-Sächsischen Heimatortsgemeinschaften gegründet, mit dem unser Verband ebenfalls eng und vertrauensvoll zusammenarbeitet.

Erhalt der kulturellen Gemeinschaft

Besonders stark engagiert sich der Verband der Siebenbürger Sachsen für die Pflege und den Erhalt der kulturellen Gemeinschaft. Hier sind neben dem Heimattag in Dinkelsbühl auch die viele kulturellen Angebote des Bundesverbandes, der Landesgruppen und der Kreisgruppen zu nennen. Unsere Gemeinschaft pflegt ihr Brauchtum. Ein Podium bietet der Verband auch den in unterschiedlichen Bereichen tätigen Kunstschaffenden. Seit 1968 wird jährlich beim Heimattag der Siebenbürgisch-Sächsische Kulturpreis verliehen. Eine Veranstaltung soll hier stellvertretend für die vielen kulturellen Ereignisse genannt werden: am 27. Oktober 1991 fand in der Frankfurter Paulskirche die große Festveranstaltung zu „850 Jahre Siebenbürger Sachsen“ statt. Verstärkt hat sich der kulturelle Austausch mit der alten Heimat vor allem seit 2007, als Hermannstadt zusammen mit Luxemburg Europäische Kulturhauptstadt war. Jedes Jahr fahren Kulturgruppen des Verbandes zu verschiedenen Festivitäten nach Siebenbürgen – von Heimattreffen über das Sachsentreffen bis hin zu den Haferlandwochen.

Heute besteht der Verband aus acht Landesgruppen und 95 Kreisgruppen sowie der Siebenbürgisch-Sächsischen Jugend in Deutschland (SJD). Hinzu kommen 18 selbständige Vereine, die sich dem Verband als Personenvereinigung angeschlossen haben. Tausende von Ehrenamtlichen wirken auf allen Ebenen des Verbandes und in den unzähligen Kulturgruppen (Chöre, Blaskapelle, Tanzgruppen, Theatergruppen) und weiteren gemeinschaftsstiftenden Gruppen (z.B. Sport oder Wandern). Der Verband basiert auf einer Mischung von Ehrenamt und Hauptamt. Die Verwaltung, die Redaktion der Siebenbürgischen Zeitung und das Kulturreferat sind in der Bundesgeschäftsstelle hauptamtlich tätig, ebenso die Landesgeschäftsstelle in Stuttgart, nebenamtlich auch die Landesgeschäftsstellen in Düsseldorf und Wiesbaden. Das eigentliche Verbandsleben aber wird in ehrenamtlicher Arbeit durchgeführt. An dieser Stelle möchte ich allen im Verband Mitwirkenden für ihre wertvolle und stetige Arbeit danken, ohne die unser Verband gar nicht bestehen könnte.

Jugend als Garant der Zukunft

Begonnen habe ich diesen Beitrag mit einer Aussage zur Jugendarbeit im Verband. Daher habe ich diesen wichtigen Bereich für das Ende aufgespart. Wenn wir Siebenbürger Sachsen heute in der Öffentlichkeit auftreten, fällt ganz besonders unsere Jugend auf. Das war vor Jahrzehnten so und ist heute auch so. Dabei muss bedacht werden, dass unsere heute aktiven Jugendlichen alle ausnahmslos in Deutschland geboren und sozialisiert sind. Ich bin sehr froh darüber, dass unser Verband es geschafft hat, die Jugend an sich zu binden und sie motivieren konnte, in die Fußstapfen ihrer Eltern und Großeltern zu treten. Das ist sicher in der heutigen schnelllebigen Zeit keine Selbstverständlichkeit und dazu umso mehr zu honorieren.
Die Jugend pflegt begeistert unsere Traditionen, ...
Die Jugend pflegt begeistert unsere Traditionen, hier beim SJD-Volkstanzwettbewerb 2023 in Heidenheim. Foto: Hermann Depner
Jugendarbeit im Verband gibt es seit Anfang der 1950er Jahre. Seither haben sich viele Generationen von jungen Menschen im Verband eingebracht. Es gab Höhen und Tiefen, von einer kontinuierlichen, dauerhaften Jugendarbeit kann seit 1978 gesprochen werden. Garant einer funktionierenden Jugendarbeit ist die Siebenbürgisch-Sächsische Jugend in Deutschland (SJD), die 1986 gegründete Jugendgliederung unseres Verbandes. Neben dem Einsatz in den Jugend- und Volkstanzgruppen der Kreisgruppen, in den Landesjugendleitungen und in der Bundesjugendleitung zeigen unsere Jugendlichen vor allem beim Heimattag in Dinkelsbühl und den Volkstanzwettbewerben, dass sie willens sind, das Erbe unserer Gemeinschaft anzunehmen und weiterzuführen.

Was wird die Zukunft bringen? Wohin geht unser Verband? Heute tragen rund 27.000 Mitglieder den Verband und diese Gemeinschaft. Und von dieser Leistung profitieren alle Siebenbürger Sachsen. Es ist daher Ehrensache, den Verband mit einer Mitgliedschaft zu unterstützen. Jeder, der noch nicht Mitglied im Verband ist, ist aufgerufen, dieses zu werden. Denn nur mit einer starken Mitgliederzahl können wir unsere Interessen durchsetzen, nur mit vielen Mitgliedern ist das vielfältige Verbandsleben möglich. Jedem Mitglied danke ich an dieser Stelle für seine Unterstützung und freue mich, viele weitere Landsleute in unseren Reihen willkommen heißen zu dürfen. Ganz nach dem Motto des diesjährigen Heimattags „75 Jahre Gemeinschaft – Mach mit!“ – ein Aufruf, der für alle gilt.

Wir werden uns als Gemeinschaft immer stärker kulturell identifizieren, eine Entwicklung, die einher geht mit einem anderen Prozess: Die Bekenntnisgeneration wird allmählich von der Erlebnisgeneration abgelöst. Es spielt dabei keine Rolle, ob man in Siebenbürgen oder in Deutschland geboren ist, wichtig ist, dass sich möglichst viele zu dieser Gemeinschaft mit all ihren Facetten bekennen und dass sich unsere jungen Menschen mit dem „siebenbürgisch-sächsischen Virus infizieren“. Wie das ganze Leben ein Auf und Ab ist, so ist es auch das Verbandsleben. Es wird Kreisgruppen geben, die zusammengelegt werden müssen, so wie es Kreisgruppen gibt, die gerade aufblühen. Ganz wie im normalen Leben. Wir Siebenbürger Sachsen haben in 75 Jahren organisierter Form in Deutschland bewiesen, dass wir eine tatkräftige Gemeinschaft sind, die sich, die Heimat Siebenbürgen im Herzen tragend, auch in der neuen Heimat, für unseren Weiterbestand einsetzt. Das vielzitierte „Finis Saxoniae“ ist nicht eingetreten und es liegt an uns allen, dass es auch nicht eintreten wird. Gerade auf den Heimattag 2024 zurückblickend, ist einem bewusst geworden, dass es diesen unseren Verband auch noch in vielen Jahren geben wird und wir eine Zukunft in lebendiger Gemeinschaft haben werden.

Herzlichen Glückwunsch zum 75. Geburtstag!

Rainer Lehni, Bundesvorsitzender

Schlagwörter: Verband der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, Kulturpflege, Jugendarbeit, Soziales

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