17. Juni 2024

Das Leben in Siebenbürgen geht weiter: Fotoausstellung von Éva Seiler-Iszlai beim Heimattag

Beim diesjährigen Heimattag wurde in der Sankt Paulskirche in Dinkelsbühl die Ausstellung „Siebenbürgen: Streifzüge. Fotografien von Éva Seiler-Iszlai“ gezeigt. In die Fotoausstellung führte Hans-Werner Schuster am Pfingstsamstag ein. Der frühere Bundeskulturreferent strich heraus, dass es sich um eine Premiere handelte: die erste Ausstellung eines siebenbürgisch-ungarischen bildenden Künstlers beim Heimattag. Lesen Sie im Folgenden seinen Vortrag.
Ausstellungseröffnung in der St. Paulskirche in ...
Ausstellungseröffnung in der St. Paulskirche in Dinkelsbühl: Hans-Werner Schuster, Éva Seiler-Iszlai und Hellmut Seiler (von links). Foto: Siegbert Bruss
Es ist mir eine Ehre, in die Ausstellung „Siebenbürgen: Streifzüge. Fotografien von Éva Seiler-Iszlai“ einzuführen. Es gab beim Heimattag viele Ausstellungen, in denen sich Streifzüge durch Siebenbürgen, sei es mit der Staffelei, sei es mit der Kamera, niedergeschlagen haben. Meist als siebenbürgisch-sächsischer Blick, relativ oft aber auch als Blick von außen auf das sächsische Siebenbürgen. Bei dieser ersten Ausstellung eines siebenbürgisch-ungarischen bildenden Künstlers fällt beides zusammen.

Geboren wird die Fotografin Éva Seiler-Iszlai in Neumarkt am Mieresch (Târgu Mureș, Marosvásárhely), wo sie aufwächst und 1975-79 das Bolyai Farkas Lyzeum besucht sowie an der Volkshochschule die Fotokurse von Marx József. Mit dieser Ausbildung und dank ihres besonderen Blickes schafft sie die Aufnahmeprüfung am Fototechnikum in Bukarest, der einzigen Einrichtung, an der man damals in Rumänien Fotografie studieren kann. Sie absolviert sie 1981 und arbeitet als Fotografin, u.a. beim Kreismuseum Mieresch und zuletzt freiberuflich bei der Coop Igiena in Neumarkt am Mieresch.

Dank der Eheschließung mit Hellmut Seiler reist sie 1990 nach Deutschland aus, und ist freiberuflich wie auch als Berufsfotografin in Ludwigsburg und am jetzigen Wohnort Backnang tätig. Sie engagiert sich auch in Siebenbürgen, wo sie u.a. 1991 den Förderverein des Fotoklubs Marx József in Neumarkt a.M. gründet und als Vorsitzende leitet. Dass dabei die beiden Kinder nicht zu kurz kommen, zeigt sich heute bei der Lesung von Hellmut und morgen bei der Preisverleihung, die der Sohn Thomas musikalisch begleitet.

Éva Seiler-Iszlai hat ihre erste Ausstellung 1984 beim Jazzfestival in Hermannstadt. Es folgen weitere Einzel- und Gruppenausstellungen in Deutschland – u.a. 2011 beim Festival der Kulturen in Hamburg – und im Ausland, zum Beispiel in Budapest. Sie stellt aber vor allem in Siebenbürgen aus, so 2007 in der Europäischen Kulturhauptstadt Hermannstadt, wiederholt in Neumarkt a.M., in Großwardein und in Reschitza. Aus Reschitza ist sie erst vor kurzem zurückgekehrt und hat einige Fotografien ihrer dortigen Ausstellung „Momentaufnahmen“ mitgebracht. Es sind vor allem Porträts, die Hellmut Seiler und Künstlerkollegen zeigen – der Zentralbereich hier. Auch wenn es sich dabei nicht um Streiflichter durch Siebenbürgen, sondern durch die siebenbürgische Kultur handelt, sind sie hier nicht verkehrt, wenn man weiß, dass ihm übermorgen hier der Siebenbürgisch-Sächsische Kulturpreis für sein schriftstellerisches Wirken verliehen wird – ich gratuliere.

Die Portraitkunst von Éva will ich nicht vertieft betrachten, eine Bemerkung dazu sei trotzdem erlaubt. Jedem Betrachter wird das schöpferische Potential eines Hans Bergel oder Eginald Schlattner spätestens beim Blick auf deren Hände bewusst, ebenso, dass es sich um begnadete Erzähler handelt und dass sie sich dessen wie auch ihres schriftstellerischen Ranges voll bewusst sind.

Vor den „Momentaufnahmen“ zeigt Éva in Reschitza und anderen siebenbürgischen Städten 2022 die Ausstellung „China – so nah, so fern“ und 2023 „Indien – Pracht und Elend“. Für letztere hat das Direktionskomitee der Fédération Internationale de l‘Art Photographique (FIAP) die Schirmherrschaft übernommen – eine hohe Ehre und Auszeichnung.

Hier in Dinkelsbühl, beim Heimattag der Siebenbürger Sachsen, wendet Éva ihren Blick von Exotik und Ferne hin auf das ihr und uns Vertraute und Nahe, für Außenstehende nicht minder Fremde und Exotische. Ihre Streifzüge durch Siebenbürgen führen bis nach Kalotaszentkiraly (Sâncraiu) bei Huedin – der einzige Ort außerhalb des sächsischen Siedlungsgebietes. Die Natur- und Kulturlandschaften samt ihren Bewohnern, die Èva auf ihren Streifzügen einfängt – schon ewig mit der Digitalkamera –, umfassen ein breites Spektrum; von „Stehengebliebene Zeit“ bis zu „Fast wie neu“. Viele wirken wie Schnappschüsse und man meint, man habe selber ähnlich nostalgische und pittoreske Bilder auf einer Siebenbürgen-Reise geschossen – wobei pittoresk nicht so sehr die malerische Qualität des Bildes meint, sondern den Charme des Verfallenden und Vergehenden.

Katzendorfer Türme, aufgenommen aus dem Pfarrhaus ...
Katzendorfer Türme, aufgenommen aus dem Pfarrhaus im August 2017. Foto: Éva Seiler-Iszlai
Ist dem aber so? Ich glaube nicht, nicht einmal bei den gekreuzigten „Katzendorfer Türmen“, auch nicht beim „Besuch in Rothenberg“, denn dann hätte Éva das rote Auto nicht eingefangen, oder auf anderen Fotografien altes Gemäuer mit blühenden Wiesen, reifen Äpfeln oder anderen Sinnbildern des prallen Lebens konterkariert. Von Nostalgie kann nicht einmal bei „Stehengebliebene Zeit“ die Rede sein, angesichts der frisch verputzen und in „Zigeuner“-Blau bemalten Häuser.

Éva gelingt es, dem in der Fotografie gebannten Augenblick, Bedeutung und Sinnhaftigkeit einzuhauchen. Aber nicht so sehr als Schnappschuss, sondern als Ergebnis einer intensiven Auseinandersetzung mit dem Sujet oder abgebildeten Ereignis. Sogar bei der einzigen Schwarz-Weiß-Fotografie. Ab dem Moment, in dem sie die Kuh im Meer der schwarzen Büffel entdeckt, begleitet sie diese so lange, bis fast nur noch ihr weißer Kopf zu sehen ist. Mindestens so geduldig harrt sie auf dem Turm der Stadtpfarrkirche in Hermannstadt aus, bevor sie die Taube im Vordergrund im Kasten hat.

Es fehlt die Zeit, um auf alle Fotografien einzugehen, für die Sie sich in den nächsten Tagen hoffentlich Zeit nehmen. Zwei Fotografien will ich kurz ansprechen.

Die „Heimkehr“ der Büffelherde ist das einzige mit extremem Weitwinkel aufgenommene Bild in dieser Ausstellung. Warum überhaupt, frage ich mich, wenn durch ein normales Objektiv nur die letzte Büffelkuh und das verzerrte Gebäude weggefallen wären? Ich denke, weil Éva verdeutlichen will, dass Heimkehr keine so einfache und keineswegs geradlinige Angelegenheit ist.

Zuletzt meine Lieblingsfotografie: „Ausblick“. Ja, man blickt durch ein Fenster, aber es öffnet sich keine irgendwie geartete Landschaft, schon gar nicht eine weite. Eher hat man das Gefühl, gegen eine Wand zu laufen.

Man kann eigentlich gar nicht von Ausblick sprechen und ist geneigt, in diesem Titel Anklänge der spitzfindigen Ironie ihres Hellmut zu erkennen. Dem ist aber nicht so. Was man sieht, ist wuchernder Wuchs in einem verwilderten Garten. Das lässt mich „Ausblick“ im übertragenen Sinne verstehen, und ich glaube, dass Éva Seiler-Iszlai, wenn auch unbewusst, mit dieser Fotografie und ihrem Titel verdeutlicht, dass das Leben in Siebenbürgen und das Leben der Siebenbürger Sachsen weitergeht – nicht nur in Dinkelsbühl und nicht nur beim Heimattag.

Schlagwörter: Heimattag 2024, Ausstellung, Fotografie

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