10. Juni 2020
Ragimund Reimesch malte 1942 in Eynatten in Ostbelgien
Es klingt wie der Beginn einer unglaublichen Geschichte. In den Wirren des zweiten Weltkriegs reist der siebenbürgische Maler und Grafiker Ragimund Reimesch in Begleitung seines Bruders, des Schriftstellers und Journalisten Fritz Heinz Reimesch, nach Ostbelgien und malt in der Umgebung von Eynatten Motive und Bauwerke von regionaler Bedeutung, u.a. das Wasserschloss Amstenrath in Eynatten und einen Kotten bei Xhoffrayx.
![„Wasserschloss Eynatten“. Grafik von Ragimund ...](/bild/artikel/normal/2020/2_reimesch_schloss.jpg)
Es spricht einiges dafür, dass der etwa vierzigjährige Ragimund Reimesch im Auftrag einer deutschnationalen völkischen Zeitung als – wie damals durchaus üblich – Pressezeichner und Illustrator im Raum Eynatten unterwegs war. In diese Richtung deutet auch die Tatsache, dass er 1943 gemeinsam mit seinem Bruder Fritz Heinz einen Kunstband herausbrachte mit dem vielsagenden Titel „Heimgekehrte Grenzlande“, erschienen im Gaulandverlag Bayreuth.
Dort aufgenommen sind auch die in Ostbelgien gefertigten Grafiken. Die Texterläuterungen zu den Bildern stammen aus der Feder seines Bruders Fritz Heinz. Die Begleittexte hinsichtlich der Venn-Landschaft und der das Wasserschloss Amstenrath umgebenden Stimmung sind pointiert. Der Sprachduktus ist, wie schon der Buchtitel, vom völkischen Zeitgeist geprägt, während die künstlerischen Ausdrucksformen von Ragimund Reimesch keinen entsprechenden ideologischen Zusammenhang erkennen lassen.
Die biografischen Recherchen zum Wirken des Malers zwischen 1939 und 1945 sind nicht sehr ergiebig. Einzelne Mosaiksteine werden auch nach Kontakten zu deutschen und siebenbürgischen Quellen (u.a. Zeitungen und Bibliotheken) im Dunkel der europäischen Weltkriegsgeschichte verborgen bleiben.
2017 gelang es mir, die beiden Originalgrafiken von Schloss Amstenrath und dem Kotten bei Xhoffrayx im Internet zu erwerben, ebenso den Kunstband der Gebrüder Reimesch, der die Grafiken enthält, was die örtliche und zeitliche Authentizität belegt und insgesamt ein Glücksgriff gewesen sein dürfte.
![Der siebenbürgische Maler und Zeichner Ragimund ...](/bild/artikel/normal/2020/1_reimesch.jpg)
Zahlreiche Museen und Graphische Sammlungen in Österreich, den USA und Deutschland besitzen Reimesch-Grafiken, so auch das New Yorker Museum of Modern Art und die Staatliche Graphische Sammlung in München. Durch zahlreiche Ausstellungen hat er in verschiedenen europäischen Ländern Anerkennung und Wertschätzung gefunden.
1971 wurde dem filigranen und eher scheuen, leisen Menschen Ragimund Reimesch in seiner österreichischen Wahlheimat der Lenzinger Kulturpreis verliehen. 1972 wurde sein Lebenswerk mit dem Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturpreis der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen gewürdigt.
![„Xhoffrayx“. Grafik von Ragimund Reimesch, 1942. ...](/bild/artikel/normal/2020/3_reimesch_kotten.jpg)
Eine der Grafiken von 1942/43 zeigt einen Kotten in der typischen Venn-Landschaft, im Kunstband der Gebrüder Reimesch mit „Xhoffrayx“ bezeichnet. Bekannt ist dieser Ort durch ein Denkmal, dem Kreuz der Verlobten, das bis heute an den Tod eines jungen Paares im Schneesturm von 1871 erinnert. 2017 hat ein junger Komponist aus Eupen die tragische Geschichte zur ersten Oper Ostbelgiens verarbeitet, mit einer Sopranistin als Verkörperung des Unwetters in der Moorlandschaft des Hohen Venns.
![Kreuz der Verlobten bei Xhoffrayx, Ostbelgien. ...](/bild/artikel/normal/2020/4_reimesch_kreuz.jpg)
Ragimund Reimesch malt während der Wirren des Zweiten Weltkriegs in der ostbelgischen Hohe-Venn-Landschaft um Eynatten, wohl im Auftrag einer deutschnationalen Zeitung. Zwei seiner Grafiken, Xhoffrayx und Schloss Amstenrath/Eynatten, fast schon vergessen, hat der Autor dieser Zeilen 75 Jahre nach deren Entstehung wiederentdeckt – eine wahrhaft europäische Geschichte mit Anfang in einer bösen Zeit, aber mit einem glücklichen Ende in der Gegenwart.
Dr. Hans-Gerd Dahmen
Schlagwörter: Maler, Graphik, Reimesch, Kronstadt
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