Peitschenknallend und unter lautstarken „Hiräii“-Rufen zogen am ersten Sonntag im Februar die Urzeln durch Agnetheln – der fünfte Lauf seit der Wiederbelebung des Brauches 2006. Organisiert hatte den Urzellauf die Urzelnzunft Agnetheln unter Leitung von Bogdan Pătru.
Pătru hielt als „oberste“ Urzel die Ansprache vor dem Rathaus, wo die Teilnehmer des Zuges dem Bürgermeister ihre Aufwartung machten. „Diese Tradition war immer sehr wichtig für die Bewohner von Agnetheln“, erklärte dabei der Agnethler Deutschlehrer. Es sei ein Brauch, der es verdiene, erhalten zu werden. Ähnlich äußerte sich Bürgermeister Radu Curcean vor den versammelten Urzeln und Zuschauern des Spektakels. „Die Agnethler sind stolz auf die Urzeln“, sagte er, bevor er das Feld den Zünften für ihre traditionellen Auftritte überließ.
Die Schneiderzunft beziehungsweise deren Traditionsfiguren Mummerl und Schneiderrössl (eine Gestalt, die Ross und Reiter in einer Gestalt vereint) führten zu den Klängen einer Blaskapelle ihren Menuett-ähnlichen Tanz auf. Es folgte der Tanz des Bären und seines Treibers, beide Vertreter der Kürschnerzunft. Höhepunkt war die Vorführung des Reifenschwingers, des Repräsentanten der Fassbinderzunft. Ein Jugendlicher aus Agnetheln wirbelte drei in einem Reifen gestapelte, mit Wein gefüllte Gläser durch die Luft. Damit erreichte er zwar nicht die Bestmarke von bis zu neun Gläsern aus früheren Jahren, wurde aber von den Zuschauern mit freundlichem Beifall belohnt. Mit dem gemeinsam gesungenen Siebenbürgerlied wurde der offizielle Teil des Umzuges beendet.
Rund 160 große und kleine Urzeln zogen am 7. Februar durch Agnetheln. Foto: Holger Wermke
Die Urzeln zogen anschließend weiter bis zum Ende der Stadt, wo sich die neun Parten (Gruppen) trennten und einzeln durch die Stadt zogen. Eine kehrte zum Rathaus zurück, um Bürgermeister Curcean abzuholen, der sich inzwischen auch ein Urzelnkostüm übergestreift hatte. Gemeinsam mit der achtzehnköpfigen Parte ging es über den Harbach zur Kirchenburg und bis vor das evangelische Pfarrhaus. Auf dem Programm stand ein Besuch bei Pfarrer Reinhard Boltres. Curcean dankte dem Pfarrer, dass sie als Bewahrer der Tradition von den sächsischen Bewohnern akzeptiert würden. Pfarrer Boltres zeigte sich froh, dass dieser Brauch nicht verloren gegangen ist.
Rund 160 große und kleine Teilnehmer zählte der Urzellauf, darunter etwa ein Dutzend sächsische Agnethler. Natürlich fehlten nicht die traditionellen Symbole der einstigen Agnethler Zünfte. Den Trägern der Zunftladen folgten der Hauptmann der Schusterzunft mit seinen zwei kleinen Begleitern, die Kürschnerkrone mit den vier Füchsen drehte sich weithin sichtbar über der Parade, ebenso wie das von den „Schneidern“ getragene Kind auf seinem Pferdchen.
„Man hat es sich als Kind immer gewünscht, bei den Urzeln mitzulaufen“, erinnert sich der Bürgermeister, dem als Kind die Teilnahme jedoch verwehrt geblieben ist – sie war ein Privileg der sächsische Bewohner. Curcean verwies auf frühere Überlegungen, rumänische Elemente in den Umzug aufzunehmen, die er aber ablehne. Der Lauf sei ein Andenken an die Siebenbürger Sachsen. Daher wolle man diesen sächsischen Brauch in unveränderter Form weiter führen.
Der Urzellauf hat eine lange Tradition in der Harbachtalgemeinde. Unter dem Namen „Mummenschwanz der Zünfte“ wird ein Umzug 1689 das erste Mal erwähnt. Seit 1910 wurde der Umzug von allen Zünften gemeinsam ausgetragen, bis er 1941 verboten wurde. Erst 1969 wurde die Wiederaufnahme der Tradition wiedergestattet. Der letzte Urzellauf wurde 1990 von den sächsischen Agnethlern durchgeführt. 16 Jahre später initiierte Bogdan Pătru mit den Kindern seiner Deutschklasse den Neuanfang dieses traditionsreichen Brauches.
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