30. Juni 2009
Welterbe Siebenbürgen
Vom 19. bis 24. Mai fand in Siebenbürgen eine internationale Tagung zum Thema „Die Ländliche Architektur und der multikulturelle Dialog“ statt. Es war die XIV. Tagung der „Tușnad“-Konferenzen zur Denkmalpflege, die seit 1992 von den ICOMOS-Nationalkomitees Rumänien, Ungarn und Deutschland ausgerichtet wird. Es war zugleich die Jahrestagung 2009 des Internationalen wissenschaftlichen Komitees für ländliche Architektur CIAV von ICOMOS, dessen Präsident seit 1995 Dr. Christoph Machat ist. Der Schäßburger Denkmalpfleger ist seit 1992 auch Vorsitzender des Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturrats, seit 2000 Vizepräsident von ICOMOS Deutschland und seit 2005 Präsident des Wissenschaftlichen Rates von ICOMOS.
Das internationale Komitee für ländliche Architektur von ICOMOS (Internationaler Rat für Denkmalpflege der UNESCO) hatte 1992 das vom Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturrat durchgeführte und von der Bundesregierung finanzierte Projekt „Dokumentation des siebenbürgisch-sächsischen Kulturerbes“ in sein offizielles Arbeitsprogramm aufgenommen. Entsprechend war die vor zwei Jahren seitens der Hauptveranstalter ausgesprochene Einladung nach Siebenbürgen von den Komiteemitgliedern einhellig begrüßt worden, sicher auch, um Land und Leute und auch die Projektinhalte kennen zu lernen. Andererseits war bekannt, dass – nicht allein vor dem Hintergrund des Tagungsthemas – die von dem Zusammenleben der rumänischen, ungarischen und deutschen Bevölkerung geprägte siebenbürgische Kulturlandschaft einzigartig ist – nicht nur in Europa. Entsprechend groß war die Beteiligung seitens der Komiteemitglieder – aus Kanada, Mexiko, Ägypten, Korea, Japan und den Philippinen, aus Norwegen, Schweden, Finnland, Deutschland, Ungarn und aus Rumänien.
Vom Treffpunkt Hermannstadt aus wurden im Rahmen einer vorgeschalteten zweitägigen Studienfahrt die Orte Heltau, Michelsberg, Rășinari, Kelling, Mühlbach, Karlsburg (Alba Iulia), Roșia Montană und das Motzendorf Ocoliș besucht, bevor der Tagungsort Rimetea (ungarisch Torocko) erreicht war. Rimetea ist ein bekanntes Bergarbeiterdorf in den Westkarpaten, dessen Gründung mit der Ausbeutung von Eisenerzvorkommen seit dem späten 17. Jahrhundert zusammenhängt, wofür deutsche Bergarbeiter gewonnen werden konnten. Auch wenn die Bevöl- kerung im Laufe der Zeit magyarisiert wurde, ist die Anlage des Ortes mit der regelmäßigen Reihung giebelständiger Häuser mit Schopfwalmdächern (vom Ende des 18. Jahrhundert) entlang des Dorfangers den siebenbürgisch-sächsischen Dörfern vergleichbar. Da hier kein Bergbau mehr betrieben wird, hatte sich der Erhaltungszustand des Dorfes in den 1980er Jahren stetig verschlechtert. Dank einer Initiative des Kollegen Dr. Andras Roman von ICOMOS Ungarn konnte nach 1990 ein Instandsetzungsprojekt ausgearbeitet werden, das mit der finanziellen Unterstützung durch den Budapester Stadtbezirk V in den vergangenen Jahren umgesetzt wurde. Die Konferenzteilnehmer konnten daher unter sachkundiger Führung die – mit aktiver Unterstützung der Dorfgemeinschaft – instand gesetzten Häuser besichtigen und über die prägenden Eigenheiten dieser Bauten diskutieren.
Die beiden Konferenztage waren von Vorträgen und Diskussionen zu den eindeutigen wechselseitigen Einflüssen in der ländlichen Architektur und Kultur Siebenbürgens geprägt.
Dieser Besuch war zugleich Anlass einer Fachdiskussion über die künftige Nominierung Hermannstadts für die Welterbeliste der UNESCO: Im Rückblick auf die Besichtigung der Umgebung – von Heltau, Michelsberg und Rășinari – wurde die Einbeziehung der Randgebiete (der bekannten „Mărginimea Sibiului“) mit all den eindeutig greifbaren Zeugnissen der Ausstrahlung der Stadt und ihrer Kultur als historisch gewachsene Kulturlandschaft empfohlen.
Ein Teil der Tagungsteilnehmer, verstärkt durch vier Kollegen der Arbeitsgruppe städtebauliche Denkmalpflege der Vereinigung der Landesdenkmalpfleger in der Bundesrepublik Deutschland (aus vier Bundesländern) unternahm anschließend eine einwöchige, vom Verfasser dieser Zeilen organisierte Exkursion zu den Welterbestätten innerhalb des Karpatenbogens, die von Hermannstadt aus zu den sächsischen „Dörfern mit Wehrkirchen“ – so der offizielle Name der Position auf der Welterbeliste – Wurmloch, Birthälm, Keisd, Deutschweißkirch und Tartlau – sowie nach Schäßburg (mit kurzen Besuchen in Mediasch und Kronstadt) geführt hat. Die berühmten Klöster der Bukowina mit ihren weltweit einzigartigen Außenfresken standen ebenso auf dem Programm wie die Holzkirchen der Maramuresch und der einzigartige „lustige“ Friedhof von Săpânța nördlich von Sighet. Mit einem Besuch in Kelling – ebenfalls auf der Welterbeliste – fand die Rundreise vor der Rückkehr nach Hermannstadt ihren Abschluss.
Als Fazit der Rundreise muss festgehalten werden, dass die Teilnehmer von der Vielfalt und Bedeutung der erhaltenen „gebauten“ siebenbürgisch-sächsischen Kultur, in den Städten und Dörfern, einschließlich der Wehrkirchen und Kirchenburgen – die einzige Position auf der Welterbeliste, stellvertretend für das europaweit verbreitete baugeschichtliche „Phänomen“ der Kirchenbefestigungen – stark beeindruckt waren. Vor dem Hintergrund der mit der Auswanderung der Sachsen begonnenen Migration wurde allerdings einhellig angeregt, die Sicherungs- und Revitalisierungstätigkeit nicht allein auf die Ortschaften auf der UNESCO-Liste zu beschränken, sondern soweit möglich auch verstärkt auf die übrigen Dörfer und Städte auszudehnen. Als Beispiel wurde auf die rege Projekttätigkeit der englischen Stiftung MET („Mihai Eminescu Trust“) in Deutschweißkirch verwiesen, die gelegentlich des Besuches vorgestellt wurde. Die Stiftung ist in insgesamt 18 siebenbürgisch-sächsischen Dörfern tätig und hat mit geringen Mitteln großartige Ergebnisse erzielt und daher durchaus Vorbildcharakter. Sollte diese Anregung als eine „versteckte“ Aufforderung an den Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturrat zu verstehen sein, über alle seine Mitgliedsvereine entsprechende erzieherische und Substanz sichernde Maßnahmen als längerfristige Projektkonzeption auszuarbeiten und umzusetzen?
Vom Treffpunkt Hermannstadt aus wurden im Rahmen einer vorgeschalteten zweitägigen Studienfahrt die Orte Heltau, Michelsberg, Rășinari, Kelling, Mühlbach, Karlsburg (Alba Iulia), Roșia Montană und das Motzendorf Ocoliș besucht, bevor der Tagungsort Rimetea (ungarisch Torocko) erreicht war. Rimetea ist ein bekanntes Bergarbeiterdorf in den Westkarpaten, dessen Gründung mit der Ausbeutung von Eisenerzvorkommen seit dem späten 17. Jahrhundert zusammenhängt, wofür deutsche Bergarbeiter gewonnen werden konnten. Auch wenn die Bevöl- kerung im Laufe der Zeit magyarisiert wurde, ist die Anlage des Ortes mit der regelmäßigen Reihung giebelständiger Häuser mit Schopfwalmdächern (vom Ende des 18. Jahrhundert) entlang des Dorfangers den siebenbürgisch-sächsischen Dörfern vergleichbar. Da hier kein Bergbau mehr betrieben wird, hatte sich der Erhaltungszustand des Dorfes in den 1980er Jahren stetig verschlechtert. Dank einer Initiative des Kollegen Dr. Andras Roman von ICOMOS Ungarn konnte nach 1990 ein Instandsetzungsprojekt ausgearbeitet werden, das mit der finanziellen Unterstützung durch den Budapester Stadtbezirk V in den vergangenen Jahren umgesetzt wurde. Die Konferenzteilnehmer konnten daher unter sachkundiger Führung die – mit aktiver Unterstützung der Dorfgemeinschaft – instand gesetzten Häuser besichtigen und über die prägenden Eigenheiten dieser Bauten diskutieren.
Die beiden Konferenztage waren von Vorträgen und Diskussionen zu den eindeutigen wechselseitigen Einflüssen in der ländlichen Architektur und Kultur Siebenbürgens geprägt.
Dokumentation und wissenschaftliche Auswertung
Hauptanliegen aller Vortragenden war jedoch die Notwendigkeit der Dokumentation und wissenschaftlichen Auswertung dieses einmaligen ländlichen Erbes, das in höchstem Maße gefährdet ist – nicht allein die sächsischen Dörfer. Gefordert wurde daher die Entwicklung geeigneter Projekte zur nachhaltigen Erhaltung und Revitalisierung der Dörfer. Eine in diesem Sinne von den Tagungsteilnehmern verabschiedete Erklärung wendet sich direkt an die zuständigen Behörden Rumäniens; sie wird voraussichtlich im Oktober dieses Jahres während der Tagung von Exekutiv- und Konsultativkomitee als doktrinäres Dokument von ICOMOS verabschiedet werden. Bereits während der Tagung war der Modellcharakter des 1992-1998 vom Kulturrat durchgeführten Dokumentationsprojektes – nach einer knappen Vorstellung durch den Autor und Projektleiter – in den Diskussionsbeiträgen unterstrichen worden. Für die Kollegen des ungarischen Denkmalamtes Budapest war dessen Methode und Arbeitsweise für die Dokumentation der ungarischen Dörfer im historischen Bezirk von Baraolt/Barót, nördlich des Burzenlandes, nach einer Schulung durch den Verfasser dieser Zeilen erfolgreich übernommen worden. Lediglich die geplante Veröffentlichung der Ergebnisse steht noch aus und wurde von den Konferenzteilnehmern – vor allem vor dem Hintergrund der bereits erschienenen Bände der „Denkmaltopographie Siebenbürgen“ – angemahnt. Die grundlegende, fachliche Bedeutung der Denkmaltopographie Siebenbürgen wurde während eines abschließenden Besuches der Altstadt von Hermannstadt deutlich, wo der 1999 erschienene Band der Denkmaltopographie „5.1.1, Stadt Hermannstadt, die Altstadt“ nicht nur als fachliche Grundlage für die langjährige Tätigkeit der GTZ (Gesellschaft für technische Zusammenarbeit, Eschborn) mit ihrem Beratungsbüro für denkmalpflegerische Maßnahmen an dem reichen Baubestand gedient hat, sondern auch für die denkmalpflegerischen Maßnahmen im Hinblick auf die Kulturhauptstadt Europas 2007.Dieser Besuch war zugleich Anlass einer Fachdiskussion über die künftige Nominierung Hermannstadts für die Welterbeliste der UNESCO: Im Rückblick auf die Besichtigung der Umgebung – von Heltau, Michelsberg und Rășinari – wurde die Einbeziehung der Randgebiete (der bekannten „Mărginimea Sibiului“) mit all den eindeutig greifbaren Zeugnissen der Ausstrahlung der Stadt und ihrer Kultur als historisch gewachsene Kulturlandschaft empfohlen.
Ein Teil der Tagungsteilnehmer, verstärkt durch vier Kollegen der Arbeitsgruppe städtebauliche Denkmalpflege der Vereinigung der Landesdenkmalpfleger in der Bundesrepublik Deutschland (aus vier Bundesländern) unternahm anschließend eine einwöchige, vom Verfasser dieser Zeilen organisierte Exkursion zu den Welterbestätten innerhalb des Karpatenbogens, die von Hermannstadt aus zu den sächsischen „Dörfern mit Wehrkirchen“ – so der offizielle Name der Position auf der Welterbeliste – Wurmloch, Birthälm, Keisd, Deutschweißkirch und Tartlau – sowie nach Schäßburg (mit kurzen Besuchen in Mediasch und Kronstadt) geführt hat. Die berühmten Klöster der Bukowina mit ihren weltweit einzigartigen Außenfresken standen ebenso auf dem Programm wie die Holzkirchen der Maramuresch und der einzigartige „lustige“ Friedhof von Săpânța nördlich von Sighet. Mit einem Besuch in Kelling – ebenfalls auf der Welterbeliste – fand die Rundreise vor der Rückkehr nach Hermannstadt ihren Abschluss.
Als Fazit der Rundreise muss festgehalten werden, dass die Teilnehmer von der Vielfalt und Bedeutung der erhaltenen „gebauten“ siebenbürgisch-sächsischen Kultur, in den Städten und Dörfern, einschließlich der Wehrkirchen und Kirchenburgen – die einzige Position auf der Welterbeliste, stellvertretend für das europaweit verbreitete baugeschichtliche „Phänomen“ der Kirchenbefestigungen – stark beeindruckt waren. Vor dem Hintergrund der mit der Auswanderung der Sachsen begonnenen Migration wurde allerdings einhellig angeregt, die Sicherungs- und Revitalisierungstätigkeit nicht allein auf die Ortschaften auf der UNESCO-Liste zu beschränken, sondern soweit möglich auch verstärkt auf die übrigen Dörfer und Städte auszudehnen. Als Beispiel wurde auf die rege Projekttätigkeit der englischen Stiftung MET („Mihai Eminescu Trust“) in Deutschweißkirch verwiesen, die gelegentlich des Besuches vorgestellt wurde. Die Stiftung ist in insgesamt 18 siebenbürgisch-sächsischen Dörfern tätig und hat mit geringen Mitteln großartige Ergebnisse erzielt und daher durchaus Vorbildcharakter. Sollte diese Anregung als eine „versteckte“ Aufforderung an den Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturrat zu verstehen sein, über alle seine Mitgliedsvereine entsprechende erzieherische und Substanz sichernde Maßnahmen als längerfristige Projektkonzeption auszuarbeiten und umzusetzen?
Dr. Dr. h.c. Christoph Machat
Schlagwörter: UNESCO, Tagung, Machat
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- 05.10.2009, 17:38 Uhr von Armin_Maurer: Als abschließenden Kommentar will ich auch an dieser Stelle bekannt machen, dass Herrn Dr. ... [weiter]
- 17.07.2009, 12:42 Uhr von Armin_Maurer: Schade, Herr Schreiber, dass es Herrn Dr. Machat, - wohl zurecht und aus Gründen des verletzten ... [weiter]
- 17.07.2009, 09:58 Uhr von Schreiber: Ekelerregend ist Ihr undifferenzierter Umgang mit Vorwürfen. Dadurch begeben Sie sich sehr nahe ... [weiter]
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