1. Juli 2002

Wolfgang Klein

Das heutige E-Mail-Interview führten wir mit Wolfgang Klein alias "Wolfito", bei vielen Siebenbürgern auch als "Wolfi" bekannt. 1956 in Hermannstadt geboren, verheiratet, zwei Kinder, lebt und arbeitet er seit 23 Jahren in Mainz. Die ersten 23 Jahre seines Lebens lebte "Wolfito" in Hermannstadt, Str. Bucegi 12, "neben dem Katawski Rolf, der mit dem alten Mercedes". Nach zwei Jahrzehnten Nachtarbeit in den bekannten Mainzer Gaststätten "Caveau" und "Quartier Mayence" begann er mit 45 Jahren zu schreiben und veröffentlichte bisher zwei Bücher. Sein Beruf: Gastronom, DJ, Buchautor. Fragensteller war Robert Sonnleitner.
Du bist in Hermannstadt geboren und aufgewachsen. Hat dich das Leben in Siebenbürgen zu dem gemacht, was du heute bist?

Zunächst möchte ich meinen Eltern, Freunden, dem gesamten Umfeld dieser 23 wunderschönen Jahre in Hermannstadt danken. Erst heute wird mir richtig bewusst, was für eine ungetrübte Jugend wir hatten. Diesen Zusammenhalt und die tiefen Freundschaften haben unser Leben geprägt und um Ihre Frage zu beantworten: JA!

Eine rumänische Zeitung schrieb mal über dich: "Într-o lume unde morala haitei face legea, Wolfi - lupusorul sibian stabilit la Mainz - a stiut sã ramâna Om. El personificã spiritul ultimei generatii de tineri sasi ce si-au petrecut la propriu! frumosii ani ai junetii în paradisul transilvan." Falls du dem zustimmst, wie würdest du dies mit eigenen Worten ins Deutsche übersetzen?

Wolfgang Klein ...
Wolfgang Klein
Ich bin derselbe geblieben und habe meine Identität gewahrt, obwohl ich mich in Gastronomie, Kulturveranstaltungen und der schreibenden Zunft, einigen der härtesten und arbeitsintensivsten Branchen, engagiert habe. Ich hatte oft den Eindruck, dass ich schon alles durchgemacht habe. Das war ein Irrtum. Sie müssen bloß mal mit Verlagen verhandeln. Das ist purer Kapitalismus.

Wie kommt man als "Zugereister" auf die Idee, Wirt und Kneipenbesitzer zu werden?

Ganz einfach. Man hat Hunger, Durst und keine Moneten und ist ein halbes Jahr in der neuen Heimat. Ich war für ein Jahr nach Mainz zum Sonderlehrgang gereist und ich bin geblieben. Um mich über Wasser zu halten, fing ich an, als Tellerwäscher zu jobben, dann als Koch, Zapfer und Geschäftsführer. Erst führte ich eine halbe, schließlich die ganze Kneipe.

Welche Zielgruppe sprichst du mit deiner Kneipe an? Gehören auch Siebenbürger zu deiner Stammkundschaft?

Leider nein. Ich habe zwar im Laufe der Zeit einige kennen gelernt, aber da ich kaum Privatleben habe und immer dann arbeiten muss, wenn andere frei haben, ist es schwierig, richtige Freundschaften zu pflegen. Oberflächlich betrachtet kenne ich ganz Mainz. Manchmal ist es wie in der Heltauergasse, aber nicht zu vergleichen mit dem uns eigenen Verständnis von Freundschaft. Natürlich gibt es hier auch Ausnahmen und davon habe ich glücklicherweise eine Menge als Stammkundschaft: Studenten!

In der Mainzer Kneipenszene bist du bekannt wie ein bunter Hund. Wie kam es dazu?

Na ja, wie es eben in 23 Jahren Gastronomie passiert, davon elf Jahre Disco und Live-Musik. Da kommt man schon herum. Da gab es schon etliche Highlights. Ich kann zuhören und vor allem bin ich immer ehrlich zu den Leuten, auch wenn es manchmal weh tut. Das schätzen viele und kommen wieder. Mittlerweile kommen die Kinder meiner ehemaligen Stammgäste und lassen mich von den Eltern grüßen und manchmal auch küssen...

Unterstützt dich "die beste aller Ehefrauen" bei deiner Arbeit? Schon allein der Lebensrhythmus eines Kneipenbesitzers dürfte das notwendig machen.

Das ist mir sowieso ein Rätsel, wie sie es 23 Jahre, 5 Monate, 15 Tage, 11 Stunden und 35 Minuten mit mir ausgehalten hat. Zumal ich mich im Laufe dieser Zeit "verdoppelt" habe. Ich rede von meinem Gewicht. Deshalb habe ich auch die Disco verkauft, um mehr am Familienleben teilzunehmen. Meine Kinder dachten irgendwann, ich bin der Liebhaber der Allerbesten, nicht der eigene Vater. Diese Frau ist nicht mit Gold aufzuwiegen und ich bin froh, dass sie mich damals doch "genommen" hat, als sie alle vor mir gewarnt haben. Wir haben uns all die Jahre den Rücken freigehalten. Vor allem, ohne sie, ohne ihre Hartnäckigkeit wäre "Zum Bahnhof, bitte..." nie entstanden.

Du bist bei deinen Freunden schon immer als prächtiger Geschichtenerzähler aufgefallen. Was hat dich dazu bewogen, Autor zu werden?

Irgendwann konnte ich dieses ewige "Gejammer" der Leute nicht mehr hören. "Alles ist so schlecht, so schwer und überhaupt" und fing an, Geschichten aus meiner Kindheit zu erzählen. Siehe da, auf einmal waren alle gut aufgelegt und lachten. Hauptsache die Sorgen waren weg. Wenigstens für den Moment. Dann schrieb ich sogenannte Rundbriefe an die
Freunde. Diese sammelte die Allerbeste und so entstand "Geschichten, oder was?"

Deine beiden Büchlein sind "eine Reihe lustiger, augenzwinkernder, aber auch kritischer Geschichten, ohne Rücksicht auf Verluste". Deine Texte sind wie ein frisch gezapftes kühles Pils, erfrischend herb, die Geschichten oft angenehm derb. Hast du schon immer so erzählt, oder eignet man sich diese Fähigkeiten "aus der Szene" an?

Ja, das schreibt die Presse. Fakt ist, dass ich mit dem ersten Buch, "Geschichten, oder was?" sehr unzufrieden war und mich entschlossen habe, ein Neues zu schreiben. Ich habe versucht, es professioneller zu gestalten, noch herber, humorvoller und kritischer zu sein. Der bisherige Erfolg von "Zum Bahnhof, bitte..." zeigt mir, dass sich die Mühe gelohnt hat.

Kürzlich hast du dein neues Büchlein vorgestellt. Kannst du es unseren Lesern kurz vorstellen? Bietest du Leseproben auf deiner Homepage an?

Ja, einiges kann man auf www.wolfiklein.de lesen. Aber ich rate jedem, der noch Zeit zum Lesen hat, sich das Buch zu besorgen. Es lohnt sich. Heiner Hemken schreibt: "Zum Bahnhof, bitte..." ist der Titel der Geschichtensammlung von Wolfgang Klein. Wohin die Reise gehen soll, darf der Leser selbst entscheiden. Fakt ist, dass der Autor 1956 in Hermannstadt, vielen vielleicht geläufiger mit dem Hinweis Transsilvanien, geboren wurde und auf seiner Reise schon viel gesehen und erlebt haben muss. Wie sonst kann es möglich sein, dass ein Buch mit einer derartigen humoristischen Brillanz entstanden ist, welche den Leser immer wieder dazu anhält, seine Reise fortzusetzen. Mehr von dieser Rezension kann man unter literaturrezensionen.de nachlesen.

Deine erste Geschichtensammlung "Geschichten, oder was? - Geschichten eines Zugereisten." gibt es auch in rumänischer Sprache ("...si ce daca?"). Planst du dein neues Buch ("Zum Bahnhof, bitte...") auch übersetzen zu lassen?

Ich denke nicht. Der rumänische Markt ist noch schwerer zu erobern als der deutsche. Die Leute haben andere Sorgen in dem geplagten Land, als meine Hirngespinste zu lesen. Diejenigen, die es gelesen haben, fanden es gut. Das Buch wird in Insiderkreisen (Catavencu, Musikerszene) hoch gehandelt, aber ich habe nicht die Zeit, mich um den Vertrieb zu kümmern. So liegt es irgendwo unter einem rumänischen Bett und fault vor sich hin.

Hast du noch Kontakte nach Rumänien? Wie kam es, dass du ein Jazzfestival in Hermannstadt mitorganisiert hast?

Durch Nae Ionescu, den Vater des Jazzclubs und Jazzfestivals in Hermannstadt. Er war mein Musiklehrer, und ich habe viel von ihm gelernt. Er hat mich geprägt und zum Jazz gebracht. Das habe ich hier fortgesetzt und durch meine zahlreichen Veranstaltungen habe ich im Laufe der Jahre die nötigen Verbindungen in der Szene aufgebaut. Das muss man doch weitergeben und helfen, wo man kann. Vor allem ist das rumänische Publikum dankbar für jede Art guter Musik. Das gefällt auch den Musikern, und sie fahren gerne gen Osten. Das nächste Festival ist Mitte August an der Schwarzmeerküste in Vama Veche, in Bibis Bistro.
Kontakte habe ich viele und bin sehr gerne dort. Es ist ein wunderschönes Land und wir alle sollten uns irgendwie dort "angajieren", sei es Geschichten über das dort Erlebte zu schreiben, oder in einer anderen Art und Weise, schließlich sind wir dort geboren und haben dem Land einiges zu verdanken, wie ich schon sagte: eine phantastische Jugend!

Danke für das Gespräch.

Link: www.wolfiklein.de

Schlagwörter: Interview, Medien

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