2. August 2021
„Fleiß, Zuverlässigkeit, Gemeinschaftssinn, Traditionsbewusstsein, Standhaftigkeit“: In memoriam Professor Dr. Horst Schuller
Die hier als Titel zitierten Wörter hat Dr. Peter Motzan in seiner Laudatio zur Verleihung des Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturpreises 2018 an Horst Schuller so in Reihe gesetzt und dahingehend zusammengefasst, er sei ein wertkonservativer Intellektueller. Ich kann dem voll zustimmen, doch ich habe mit Bezug auf seine journalistische Arbeit zu dem Freund und auch über ihn wiederholt gesagt: „Du kannst aus allem was machen“. Ich meinte damit seine Gabe, sich auf Dinge einzulassen, an denen andere, ich eingeschlossen, vorbeigegangen wären. Zahlreiche seiner kleineren kulturgeschichtlichen Abhandlungen spiegeln diese ganz eigene Fähigkeit, in scheinbar Randständigem wesentliche Zusammenhänge und Bedeutungen zu erkennen. So ließ er sich etwa zum Staunen einiger Germanisten auf die Laienpoesie der Mundartautoren ein, und die Zeitläufte haben aus seiner Sammlung „Vill Spochen än der Wält“ (1988) eine Referenzpublikation der zeitweilig modisch gewordenen Dialektdichtung gemacht.
![Dr. Horst Schuller, aufgenommen 2009 in der ...](/bild/artikel/normal/2021/horst_schuller_2009_konrad_klein.jpg)
Dass ihm auch eine gewisse Schlitzohrigkeit nicht fremd war, kam erheiternd zum Vorschein, wenn er mit Genugtuung davon berichtete, wie sie als Redaktionskollegen mit Eloquenz und dem Wörterbuch in der Hand den gestrengen Chefredakteur der Karpatenrundschau, der auch hohe politische Ämter innehatte, davon überzeugen konnten, dass die Titulatur „conducător“, die sich der rumänische Diktator zugelegt hatte, ins Deutsche einzig durch „Führer“ zu übersetzen sei. Schläue und Schlitzohrigkeit waren dem Journalisten dienlich, um unter Zensur und politischem Gebotskanon, Brenzliges als harmlos darzustellen und alternative Wahrheiten konspirativ im Subtext der Zwischenzeilen an den Leser zu bringen.
![Der Literaturhistoriker Prof. Dr. Horst Schuller ...](/bild/artikel/normal/2021/horst_schuller_2018_dieter_moyrer.jpg)
Ausgerechnet diesen Mann, zu dessen Wesen Friedfertigkeit gehörte, hat sich der Geheimdienst zum Musteropfer seiner Einschüchterungspolitik erkoren und seine Relegation kurz vor dem Studienabschluss betrieben. Mit dem Mut der Verzweiflung hat Horst Schuller sich erfolgreich gewehrt, und er fand Fürsprecher, so dass der Vorgang scheiterte. Seine amtlich angedachte Karriere am Lehrstuhl für Komparatistik war damit allerdings ohne Aussicht. Auch sonst war nicht alles eitel Sonnenschein. Die Kronstädter Wohnung war für die Familie mit zwei heranwachsenden Töchtern lange Jahre zu klein („Ich möchte einmal durch die Zimmer gehen können, ohne auf etwas treten zu müssen“, sagte seine Frau Hannelore, geb. Klein, 1939-2012), die Folgen eines Verkehrsunfalls waren länger akut. Da galt es manchmal, auch in eigener Sache Gleichmut zu finden. Nach sechs Jahren im Lehramt war Horst Schuller 1968 zur Karpatenrundschau gegangen, bald deren geschätzter Feuilletonchef geworden und hat mit gleichgesinnten Kollegen in dieser Zeitschrift seiltänzerisch eine geistige Gegenwelt inmitten allgegenwärtiger Öde gehegt. Seine zahlreichen journalistischen Schriften sind niemals in einem Band veröffentlicht worden; parallel zu diesen hat er mehrere Autoreneditionen mit unbekannten Texten herausgegeben, dazu die reizvolle Anthologie mit Kindergedichten „Amsel, komm nach vorn“ (1974), und er wurde 1984 mit der Arbeit „Kontakt und Wirkung“ (1994) über die Zeitschrift Klingsor zum Dr. phil. promoviert.
![Ein Bild aus besseren Tagen, die noch gar nicht ...](/bild/artikel/normal/2021/horst_schuller_michael_markel_19_05_2018.jpg)
Michael Markel
Schlagwörter: Kultur, Kulturpreisträger, Horst Schuller, Germanistik, Literaturhistoriker, Karpatenrundschau
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