erstellt am 09.11.2006 um 10:49 Uhr
In der Geschichte, aber nicht nur dort, ist es in der Regel bis auf ganz wenige Ausnahmen so, dass Umbruchphasen und -zeiten erst NACHTRÄGLICH als solche (nämlich als Zeiten, in denen nicht zurückstellbare Weichen gestellt worden sind) erkannt werden.Ich glaube, dass wir Siebenbürger Sachsen zur Zeit eine gravierende Umbruchphase durchmachen, deren Länge ich auf 15-25 Jahre schätzen würde - ohne sagen zu können, wie viele von diesen Jahre jetzt schon vergangen sind.
Eine detaillierte Gegenüberstellung von "früher" (vor dem Umbruch), "jetzt" und "in Zukunft" (nach dem Umbruch) kann ich nicht leisten. Ein Beispiel, eine Gegenüberstellung, möchte ich aber pars pro toto nennen:
Früher war man in der Landsmannschaft oder in HOGs, weil man zusammen was erlebt hatte, weil man eine gemeinsame Identität hatte. In Zukunft wird man Mitglied in der LMS oder der HOG, weil man sich für siebenbürgische Belange und für Omas Buch mit den schönes Kirchen(burgen) interessiert.
Fazit: früher war es die gemeinsame Identität in einer Gemeinschaft, in Zukunft wird es das "Interesse an ..." sein. Ich denke, wir befinden uns jetzt genau in der Übergangsphase.
Wo ist die Krux? Die Krux besteht darin, dass dieser Umbruch innerhalb unseres Völkchens, innerhalb seiner soziologischen Positionierung und seines Selbstverständnisses, nicht hinreichend erkannt und - vor allem - THEMATISIERT wird. Ich fürchte, dass in 50 oder 100 Jahren ein Historiker festellen wird, dass "der große Umbruch, welcher bei den Siebenbürger Sachsen um die Jahrtausendwende herum stattgefunden hat, das Volk und seine Identität im Nachgang ausgelöscht hat".
Wenn wir tatsächlich in einer solchen radikalen Umbruchphase stecken, sie als solche rechtzeitig (JETZT!) erkennen, dann können wir doch versuchen, sinnvolle Weichen zu stellen.
Ich denke:
Wir Siebenbürger Sachsen sollten in einem 1. Schritt den Diskurs führen, wohin "die Reise gehen" soll. Was ist unser Ziel? Haben wir eins? Brauchen wir überhaupt eins? Was wollen wir der Nachwelt hinterlassen? Wie wollen wir es hinterlassen? Wollen wir was hinterlassen oder wollen wir was hinter uns lassen?!
Ich spreche nicht davon, sofort Antworten auf diese Fragen zu geben - das wäre dann erst der 2. Schritt. Ich spreche davon, dass wir innerhalb unseres Völkchens eine breite Diskussionskultur etablieren, die sowohl geographisch als auch hierarchisch (in den verschiedenen Gremien der Landsmannschaft, der HOGs, der siebenbürgischen Vereine etc.) breit gestreut sein muss.
Meine Vorstellung wäre die, dass bsp. der Bundesvorstand der LMS die Umbruchphase (wenn er die jetzige Zeit als solche erkennt) thematisiert. Es ist aus meiner Sicht eine vordringliche Aufgabe des Vorstandes, Leitlinien und Ziele zu definieren, die Diskussion anzuregen und nach unten weiterzugeben.
Was denkt ihr?